This Property is Condemned (dt.: Dieses Mädchen ist für alle / Traumstation, 1966)
Mit Natalie Wood, Robert Redford, Mary Badham, Kate Reid, Charles Bronson, John Harding, Alan Baxter u.a.
Drehbuch: Francis Ford Coppola, Fred Coe und Edith Sommer nach einem Einakter von Tennessee Williams
Regie: Sydney Pollack
Genres: Drama, Romanze
Studio: Paramount
Kino/TV-Auswertung im deutschsprachigen Raum: Kino-Premiere im Oktober 1966
Dauer: 110 min
Farbe: color
Ein seltsames Mädchen in einem viel zu grossen roten Kleid und einer verdreckten Puppe balanciert zu Beginn des Films über stillgelegte Geleise. Dort trifft auf einen Jungen mit einem Papierdrachen, dem sie ihre Geschichte erzählt. In einer langen Rückblende erleben wir die Geschichte von Willies Familie, die im Kaff Dodson eine Pension am Rande der Bahnlinie besitzt. Es ist die Zeit der Grossen Depression, und man muss sehen, wie man über die Runden kommt. Der Vater ist längst verschwunden und Mutter Hazel (Kate Reid) bietet ihren Gästen eine Art Escort-Service an, ein "kleines Extra", das aus ihrer Tochter Alva (Natalie Wood) besteht. Als der junge Bahnangestellte Owen Legate (Robert Redford) sich im Mama Hazels Pension einmietet, sieht Alva ihre Chance, mit dessen Hilfe dem elenden Leben in Dodson endlich zu entfliehen.
Legate seinerseits hat den schwierigen Auftrag, im Namen der Bahnlinie in Dodson Leute zu entlassen...
Eine Geschichte von Elend und Unglück - This Property is Condemned war die zweite Regiearbeit Sydney Pollacks (Tootsie, Out of Africa). Wie Pollacks bekannteres, zwei Jahre später entstandenes Werk They Shoot Horses, Don't They? (dt.: Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss) portraitiert auch This Property... ein trostloses Amerika während der Depressionszeit Anfangs der Dreissigerjahre.
Das gelingt ihm und seinen Drehbuchautoren (u.a. Francis Ford Coppola) so gut, dass der Film selbst trostlos und zur grossen Depression gerät.
Die Autoren liessen sich von einem Einakter aus der Feder Tennessee Williams' zu dem Film inspirieren; somit ist klar, dass er in den Südstaaten der USA spielt. Er trägt denselben
Tennessee Williams |
Die Vorlage ist ein Zweipersonenstück und dauert 30 Minuten.
In den meisten Besprechungen, die ich über diesen Film gelesen habe, wird fraglos davon ausgegangen, dass Tennessee Williams dessen Haupt-Urheber sei. Das ist ein Irrtum, wir haben es hier mit einem regelrechten Williams-Fake zu tun!
Vom berühmten Dramatiker stammt nur gerade die Rahmenhandlung des Films, der Rest ist in erster Linie Coppola, unter Mithilfe von Coe & Sommer - und offenbar weiteren, im Titelvorspann nicht erwähnten Autoren. Im Stück ist Alvas Schwester Willie, die zu Beginn des Filmes auf den Geleisen balanciert, die Hauptfigur; der Junge mit dem Papierdrachen ist der andere Protagonist.
Während im Einakter die ganze Tragödie nur erzählt wird, baut der Film diese dramaturgisch aus - als wär's ein Stück von Williams.
Coppola sagte letztes Jahr in einem Interview: "When I was young, I wanted to be Tennessee Williams or Elia Kazan [...] Even as hard as I tried to steal from Tennessee Williams, it came out some other way." ("In jungen Jahren wollte ich Tennessee Williams sein oder Elia Kazan [...] Sosehr ich von Tennessee Williams auch zu stehlen versuchte, es kam etwas anderes heraus."
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Das Drehbuch imitiert Tennessee Williams auf den ersten Blick allerdings verblüffend gut: Die illusionsgeschwängerten Dialoge der verlorenen Figuren, deren verzweifelten Versuche, das Elend wegzulächeln sind vorhanden und lassen Uneingeweihte glauben, hier werde ein unbekanntes, abendfüllendes Stück des Dramatikers umgesetzt.
Sämtliche Hauptdarsteller glänzen in ihren Rollen. Würde es sich hier tatsächlich um ein Theaterstück handeln, spräche man von einer gelungenen Ensembleleistung; keiner fällt ab, die Truppe scheint aufeinander eingespielt und legt eine runde Gesamtleistung hin.
Pollacks Regie verfährt sehr solide, findet ab und poetischen Bilder und führt die Schauspielerinnen und Schauspieler subtil. Die meiste Zeit verlässt er sich auf die Wirkung des Drehbuches.
Trotz der ausdrücklichen Vorzüge hinterlässt This Property... einen schalen Nachgeschmack. "Zuviel des Guten" ist wohl der passende Ausdruck für das Malaise. Es wirkt, als hätte Coppola das gesamte Werk des Dramatikers mit all seinen Familientragödien, monstösen Elternfiguren, Gehässigkeiten, krankhaften Gemütern und lebensuntauglichen Charakteren in einem einzigen Drehbuch kondensieren wollen. Herausgekommen ist dabei eine Säure, die in dieser Konzentration kaum mehr geniessbar ist.
Williams selbst übrigens war entsetzt darüber, was aus seinem Stück gemacht worden war und wollte seinen Namen aus den Credits getilgt wissen. Das konnte er zwar nicht erreichen, doch immerhin: Statt "based on a play by..." steht nun in den Anfangstiteln "suggested by a play by Tennessee Williams".
Vielleicht ist der Film wegen seiner bleiernen Schwere aus dem cinèastischen Bewusstsein der Nachwelt verschwunden. Er kam bei Publikum und Kritikern damals nicht gut an. Natalie Wood, die sich nach einer Serie von Misserfolgen von diesem Prestigeprojekt einen Karriere-Aufschwung erhofft hatte, zog sich, nach einem Selbstmordversuch, temporär aus dem Filmbusiness zurück.
Der originale US-Filmtitel This Property is Condemned ist übrigens doppeldeutig; sinngemäss bedeutet er "Dieses Anwesen wird abgerissen" oder "...ist zum Abbruch freigegeben". Damit ist die Pension in der Rahmenhandlung gemeint, an der ein entsprechendes Schild prangt.
"Property" kann aber auch "Eigentum, Objekt" heissen, und "condemned" kann mit "verurteilt" übersetzt werden. So kann der Titel auch auf die Hauptfigur, Alva bezogen werden, die im Film von der Mutter wie ein Objekt oder einen Besitz behandelt wird.
Weitere bekannte US-Filme aus dem Jahr 1966:
- Who's Afraid of Virginia Woolf? (dt.: Wer hat Angst vor Virginia Woolf; Mike Nichols)
- The Fortune Cookie (dt.: Der Glückspilz; Billy Wilder)
- Seconds (dt.: Der Mann, der zweimal lebte; John Frankenheimer)
- El Dorado (Howard Hawks)
- Fantastic Voyage (dt.: Die phantastische Reise; Richard Fleischer)
- How to Steal A Million (dt.: Wie klaut man eine Million; William Wyler)
Dieses Mädchen ist für alle erschien auch in Deutschland auf DVD; diese ist inzwischen vergriffen und ist nur noch antiquarisch erhältlich.
Der Film kann hierzulande aber im Stream noch angeschaut werden - hier ist eine Liste der Anbieter.
Michael Scheck
Hehe. Hast Du das Filmplakat oben mal genauer angesehen? Wenn man es vergrößert, kann man es gerade so lesen: Da steht "Produced by Sydney Houseman. Directed by John Pollack." Da sieht man, dass Sydney Pollack noch nicht so bekannt war, und John Houseman kannte eh fast keiner, bevor er auf seine alten Tage noch unter die Schauspieler ging.
AntwortenLöschenTatsächlich!
AntwortenLöschenDie entgeht aber auch gar nichts...! ;-)