Dienstag, 16. Mai 2023

Harolds liebe Schwiegermama (Hot Water, 1924)


Originaltitel: Hot Water
Regie: Fred C. Newmeyer und Sam Taylor
Drehbuch: Sam Taylor, John Grey, Tim Whelan
und Thomas J. Gray
Mit Harold Lloyd, Jobyna Ralston, Josephine Crowell, Charles Stevenson, Mickey McBan, Edgar Dearing u.a.

In unzähligen Stummfilmen (und auch lange nach Beginn der Tonfilmzeit) drehte sich alles um die Liebe: Boy Meets Girl. So auch in den Komödien.
In Chaplins, Keatons, Lloyds und Langdons Werken war nie die Frage, ob der Held das Mädchen am Ende kriegt, dafür wurde das wie auf witzige Weise abgehandelt.
Irgendwann musste dieses Muster durchbrochen werden, und einer der ersten, die das "Leben nach dem Happy End" filmisch behandelten, war Charlie Chaplin mit den Kurzfilmen A Day's Pleasure (1919) und Pay Day (1921); letzterer ist eine deprimierende Studie häuslichen Horrors.


Im Jahre 1924 schlug auch Harold Lloyd diesen Pfad ein, mit seinem knapp einstündigen Langfilm Hot Water, der den Alltag nach dem Happy End als eine Abfolge heilloser Tiefschläge darstellt und dabei die Unbilden des ehelichen Alltags komödiantisch überhöht. Wie Chaplins Pay Day lebt Hot Water von einer Fülle origineller Einfälle; mehr noch als Chaplin versteht es Lloyd - der übrigens damals genauso erfolgreich und beliebt war wie dieser - die einzelnen Pointen elegant und mit zusätzlichem Witz vorzubereiten. 

Lloyds "Familienfilm" beginnt mit einer kurzen Boy Meets Girl-Einleitung samt bekannter Happy-End-Einstellung, um sich nach dem Ausblenden gleich dem Leben danach zu widmen. Der "Boy" ist jetzt der Hubby (Lloyd), das "Girl" das Wifey (Jobyna Ralston), er kauft ein, sie kocht, und inzwischen rückt ihre Mutter (Josephine Crowell) samt grossem und kleinem Bruder an und sorgt für Unheil.

Harolds Einkaufstour endet im Desaster

Was schief gehen kann, geht nun schief, das Einkaufen, das gemeinsame Essen, die Fahrt mit dem neuen Auto, und schliesslich führt Harolds Versuch, sich gegen die übergriffige Verwandtschaft durchzusetzen durch eine Verkettung haarsträubender Vor- und Zwischenfälle in den schieren Wahnsinn. 

In der Nacherzählung klänge das im Detail deprimierend, deshalb spare ich mir das; es würde ein falscher Eindruck entstehen. Lloyd schafft das Kunststück, die ganzen Katastrophen auf erheiternde und charmante Weise, mit überraschenden Wendungen und temporeichen Sequenzen ans Publikum zu bringen, und das abschliessende Happy End sorgt dafür, dass Hot Water heute nicht zu den Katastrophenfilmen zählt, sondern als einer der Höhepunkte der Stummfilmkomödie gefeiert wird.

Harolds Spritztour endet ebenfalls im Desaster

Wenn man nur einen einzigen Film mit einer nervigen Schwiegermutter im Zentrum anschauen möchte, sollte man diesen wählen. Er behandelt das abgestandene Sujet und die damit verbundenen Gemeinplätze auf erfrischend lustige Weise.

Zeitungsannonce von 1924

Da der Film im deutschsprachigen Raum online nirgends verfügbar ist, hier der Link auf den Streifen mit Zwischentiteln in der englischen Originalversion.

Dienstag, 9. Mai 2023

Flucht oder Sieg (Victory, 1981)



Regie: John Huston

Drehbuch: Evan Jones und Yabo Yablonsky
Mit Sylvester Stallone, Michael Caine, Max von Sydow, Pelé, Daniel Massey, Carole Laure u.a.



V.l.n.r.: Regisseur Huston, Sylvester Stallone, Michael Caine

Ein Film der in prominenten Rollen mit Sylvester Stallone, Michael Caine und Star-Fussballer Pelé besetzt ist, der sich um Nazi-Fussball dreht und in dem Altmeister John Huston (Asphalt-Dschungel) Regie führt... Was soll man bloss davon halten?

Als Victory anfangs der Achtzigerjahre in die Kinos kam, wurde er von den Kritikern mit Häme und Spott übergossen und fast einhellig verrissen.
Grund genug, sich den Streifen nach 42 Jahren nochmals vorzunehmen.

Victory beginnt in einem Kriegsgefangenenlager der Nazis. Michael Caine spielt John Colby, einen ehemaligen englischen Fussballer, der im Camp zum Zeitvertrieb Spiele organisiert. Stallone tritt als Gefangener Hatch auf, ein Amerikaner, der sich im Camp auf gut geplante Ausbrüche verlegt hat.
Pelé ist auch irgendwie dabei. Er ist dafür verantwortlich, dass die Fussballfans ins Kino gehen.

Die Konstellation funktioniert nicht besonders gut. Stallone und Caine kommen aus zwei völlig unterschiedlichen schauspielerischen Schulen, Pelé kommt aus gar keiner. Gut, letzterer bekommt nicht soviel Leinwandzeit wie die anderen beiden, doch das Grundproblem tritt hier bereits zutage: Es kommt vieles nicht zusammen in diesem Film.


Es gibt weitere Fussballstars ohne schauspielerische Erfahrung, die in Nebenrollen auftreten: Bobby Moore, Osvaldo Ardiles, Mike Summerbee, Co Prins,
Kazimierz Deyna, Hallvar Thoresen und andere.
Die Strategie hinter dieser Besetzung ist klar: Man wollte auch die Fussballfans anlocken. Unter diesen ist der Film übrigens nach wie vor sehr beliebt.

Die Fussballspiele der Gefangenen werden von Major Karl von Steiner (Max von Sydow) beobachtet, der früher selbst Fussballer war. Schliesslich tritt er mit einer Idee an Colby heran: Wie wäre es, wenn dieser aus sämtlichen in deutschen Lagern inhaftierten Profifussballern eine "Alliierten-Mannschaft" zusammenstellte und diese dann gegen eine deutsche Mannschaft antreten würde? 


Colby willigt ein; doch leider finden auch von Steiners Nazi-Vorgesetzte den Plan gut und wollen ihn für Propagandazwecke missbrauchen: Das Spiel soll an die grösstmögliche Glocke gehängt werden, um der Welt die Überlegenheit der Deutschen zu demonstrieren. Paris wird als Austragungsort festgelegt.

Das britische Kommando im Camp hat ebenfalls seine Pläne: Das Spiel soll dazu benutzt werden, die Nazis vor aller Welt blosszustellen; zu diesem Zweck soll Hatch einen Plan ausarbeiten, der die Flucht der alliierten Mannschaft während der Spielpause vorsieht - vor der Nase der Deutschen sozusagen.

Parallel zum Fussballtrainig im Camp werden Hatchs Flucht-Vorbereitungen geschnitten, für die er aus dem Camp ausbrechen und nach Paris reisen muss, wo er mit örtlichen Résistance-Mitgliedern zusammentrifft. 

Ab hier gerät Victory aus dem Tritt, weil er sich nicht entscheiden kann, wo der Fokus liegen soll - bei der Flucht oder beim Fussball. Bis zum Spiel in Paris - und auch während diesem - werden die aufwändigen Flucht-Vorbereitungen immer wieder parallel geschnitten und bekommen so grosses Gewicht.



Und da macht der Film dann einen m.E. entscheidenden Fehler. (Achtung, jetzt kommt ein  Spoiler!) Als Colby die Mannschaft in der Halbzeit in den Fluchttunnel unter dem Stadion führt, überreden ihn seine Mannen, das Spiel zu Ende zu führen.
Wozu, so fragte ich mich, wurde derart viel Filmmaterial und Dramturgie auf die Flucht verwendet, wenn sie am Schluss doch nicht stattfindet? Ich kam mir getäuscht vor, das war ein Plot-Twist der negativen Art, denn man erwartet eine spannende Ausbruchssequenz und kriegt statt dessen ein vorhersehbares Ende - den bereits im (grauslichen) US-Filmposter vorweggenommenen Fussball-Sieg der Alliierten

(Spoiler Ende).

Max von Sydow und Arthur Brauss spielen Nazis
 
Das Drehbuch, so muss man feststellen, ist nicht besonders ausgefeilt. Trotzdem ist die Handlung so konzipiert, dass Victory von Anfang bis Ende spannend und interessant bleibt. John Hustons Regie ist solide, und die Beratung der beteiligten Fussballprofis sorgt dafür, dass die Fussballsequenzen zum Ereignis werden. Pelé war für die Choreografie des abschliessenden grossen Matchs verantwortlich und man merkt fast nicht, wie schwierig es ist, ein Fussballspiel überzeugend auf die Leinwand zu bringen.
So ist Victory ein Film geworden, der zwar viele Schwächen aufweist, der aber trotzdem gut unterhält - auch Nicht-Fussballfans.

 
Man kann den Film online ansehen - hier eine List der Anbieter.

 

Samstag, 6. Mai 2023

Something in the Wind (1947)


Regie: Irvin Pichel
Drehbuch: Harry Kurnitz und William Bowers
Mit Deanna Durbin, John Dall, Donald O'Connor, Margaret Wycherly, Jean Adair, Charles Winninger, Helena Carter, Jan Peerce u.a.


Heute kommt hier ein weiterer Film ohne deutschen Verleihtitel zur Sprache - Something in the Wind kam nie in die deutschen Kinos und offenbar lief er auch nie im Fernsehen. Dessen Star, die singende Schauspielerin Deanna Durbin, hatte im deutschsprachigen Raum nie den Stellenwert, den sie im Rest der Welt genoss, wo sie jedes Kind kannte. Winston Churchill war ein bekennder Fan, ebenso Anne Frank und - der russische Cellist Mstislav Rostropowitsch.

Deanna Durbin in "Something in the Wind"

Durbin drehte zwischen 1936 und 1948 rund 20 muntere Musicalfilme, danach zog sie sich überraschend und vollständig aus dem Showbusiness zurück (was damals gar nicht so ungewöhnlich war). Der Zeitpunkt ihres Rückzuges erklärt vielleicht den blinden Durbin-Fleck Deutschlands: Kurz nachdem Hollywood dort wieder Fuss zu fassen begann, war sie von der Bildfläche verschwunden.

Schaut man sich Something in the Wind - ihren drittletzten Film - heute an, sieht man eine charismatische, talentierte junge Schauspielerin/Komödiantin/Sängerin (sie war damals 26 Jahre alt), welche einen Film mühelos trägt. Durbin überzeugt mit einer bodenständig-ironischen Art, welche ihr Sweetheart-Image auf überraschende Weise konterkariert; überraschend jedenfalls für mich, war dies doch meine erste Begegnung mit dem damaligen Star.

Donald O'Connor, Deanna Durbin & John Dall

Offenbar habe ich für den Erstkontakt eines ihrer schwächeren Werke erwischt, wie ich im Nachhinein einigen Kritiker- und Fan-Aussagen entnehmen konnte.
Something in the Wind glänzt nicht mit Originalität, die Geschichte entwickelt sich etwas umständlich und die Funktion und Besetzung einiger Nebenfiguren erschliesst sich dem Zuschauer nicht immer auf befriedigende Weise.

Doch zuerst zur Handlung: Der weibliche Disc-Jockey Mary Collins (Durbin) erhält eines Tages überraschenden Besuch des snobistischen Upper-Class-Grünschnabels Donald Read (John Dall). Dieser unterstellt ihr, eine Affäre mit seinem Grossvater gehabt zu haben, welcher ihr regelmässig Geldbeträge überwiesen haben soll. Nach dem Tod des Patriarchen sollen diese Zahlungen weitergeführt werden, was die Hinterbliebenen um jeden Preis verhindern möchten.
Mary, die keine Ahnung hat, wovon die Rede ist, stellt den jungen Snob in den Senkel und rauscht heim zu ihrer Tante, die übrigens auch Mary heisst...

Donalds jüngerer Cousin Charles (Donald O'Connor), der in Donalds Verlobte Clarissa (Helena Carter) verliebt ist, plant einen Plot, ihm diese mit Hilfe Marys auszuspannen. Dazu müsste Donald sich in Mary verlieben, was zu deren Entführung und weiteren Komplikationen führt.

John Dall wird in die (Liebes-)Zange genommen...
 
Was dabei schliesslich herauskommt, ist ziemlich schräg: Sweetheart Deanna Durbin verschmachtet in den Armen des späteren Hitchcock-Mörders John Dall (einer der Studenten aus Rope). Dall war bei Hitchcock perfekt besetzt, hier passt er mit seiner steifen, leicht säuerlichen Art zunächst gut, wenn er den reichen Geck gibt; doch als sein Charakter vom komischen Schnösel zum schmachtenden Lover mutiert, wird der Film unglaubwürdig und Dall fällt aus der Rolle. Durbin und Dall sind wahrschenlich das unpassendste Leinwandpaar aus dem alten Hollywood, das ich je gesehen habe.

Der vielgerühmte Tänzer/Komödiant Donald O'Connor (Singin' in the Rain, 1952) fällt mir einmal mehr mit seinen Routinegrimassen und -verrenkungen auf die Nerven, hinter denen der Mensch nicht sichtbar wird und dessen "Spässe" die Handlung nur aufhalten. Dasselbe gilt übrigens für sämtliche Gesangs- und Tanzeinlagen, die glücklicherweise meist recht kurz gehalten sind.

Donald O'Connor treibt "Spässe"
 
Es gibt in dem Film zwei herausragende Sequenzen. Die erste kommt kurz nach Filmbeginn, wenn Mary ihrer Tante erzählt, dass einer des Read-Clans ihr ein Affäre mit dem Familienpatriarchen vorgeworfen habe. Die Reaktion von Tante Mary (Jean Adair) ist in ihrem Understatement unbezahlbar; köstlich, wie da die wahre Geschichte
ohne Worte ans Licht kommt.

Die zweite grandiose Passage ist eine Gesangsnummer. Mary sitzt dank eines Winkelzuges des intriganten Onkels Chester Read (Charles Winninger) im Knast. Sie versucht, den Gefängniswärter so abzulenken, dass sie ihm die Zellenschlüssel vom Hosenbund klauen kann. Weil dieser sich
auf einen Gesangsauftritt beim abendlichen Polizeiball vorbereiten will, verwickelt sie ihn in ein Duett (das "Miserere" aus Verdis Oper Il trovatore). Völlig überraschend stellt der Polizist die Sängerin mit seiner Stimme weit in den Schatten - es handelt sich um den Opernsänger Jan Peerce in einem Cameoauftritt. Und auch hier ist es wieder das komische Understatement, das die Sequenz zum Leuchten bringt.
Daneben wirkt Donald O'Connors exaltiertes Gehampel völlig unpassend und wird leicht unangenehm als das erkennbar, was es ist: Als Konzession an den Massengeschmack.

Fazit: Something in the Wind ist wohl tatsächlich nicht Deanna Durbins bester Film. Doch ihre charismatische Ausstrahlung trägt ihn über seine zahlreichen Schwachstellen hinweg - ein Grund, mir weitere Durbin-Streifen vorzunehmen. Zwei wirklich gelungene Sequenzen und einige Nebendarstellerinnen und -Darsteller (Jean Adair, Margaret Wycherly und  Charles Winninger) machen den Film trotz seiner Schwächen zu einem ganz unterhaltsamen und streckenweise amüsanten Erlebnis.



Im deutschsprachigen Raum war Something in the Wind leider nie zu sehen. Deshalb hier der Link (englische Originalversion).


Donnerstag, 20. April 2023

A Family Affair (1937)


Originaltitel: A Family Affair
Regie: George B. Seitz
Drehbuch: Kay Van Riper nach einem Theaterstück von Aurania Rouverol
Mit Lionel Barrymore, Cecilia Parker, Eric Linden, Mickey Rooney, Spring Byington, Charley Grapewin u.a.

Dieses sympathische Kleinstadtdrama um einen Richter und seine Familie bildete den Auftakt der in den USA bekannten und beliebten Andy-Hardy-Serie – obwohl eine Serie zunächst gar nicht beabsichtigt war. Doch der Film von George B. Seitz erwies sich als ein solcher Erfolg, dass MGM im selben Jahr schnell ein ebenso erfolgreiches Follow-up herstellte - was bis in die 1950er-Jahre zu 14 weiteren Andy Hardy-Fortsetzungen führte.
Im Mittelpunkt von „A Family Affair“ steht noch nicht Mickey Rooney in seiner Paraderolle als Teenager Andy Hardy, sondern Lionel Barrymore als dessen Vater - eine Rolle, die schon beim nächsten Film Lewis Stone übernahm, da Barrymore krankheitsbedingt ausfiel (ab 1938 konnte er kaum mehr gehen und war fortan nur noch in Rollstuhl-Rollen zu sehen).
Es ist immer eine Freude, einem der Barrymores bei der Arbeit zuzusehen, aber Seitz' Film ist aus mehreren weiteren Gründen ein Leckerbissen - einer davon ist Auriana Rouverols Stück, das den Film inspirierte, ein anderer die Nebendarsteller (einschließlich Arthur Housman als Säufer) und der capra-artige Touch.
Nett!

Im Deutschsprachigen Raum war A Family Affair leider nie zu sehen. Deshalb hier der Link (englische Originalversion).

Ferner liefen:
Unter diesem Titel werden hier andere von mir geschaute Filme kurz besprochen, Filme, die in meinem Empfinden gegenüber dem oben beschriebenen weniger gut abschnitten. Doch Achtung: Auch hier können Perlen dabei sein!
Wer sich näher über die einzelnen Werke informieren möchte, möge auf den jeweiligen Link klicken, der zur englischsprachigen Internet Movie Database führt.

Durchwachsen I: Die Abenteuer von Ichabod und Taddäus Kröte (The Adventures of Ichabod and Mr. Toad, 1949)
Der letzte von Disneys Kompilationsfilmen (die sich aus zwei oder mehr Segmenten zusammensetzen und mit denen sich sein Studion in den Kriegsjahren über Wasser halten konnte). Der Film präsentiert zwei Geschichten, die absolut gar nicht zusammenpassen und der deshalb gemischte Gefühle hinterlässt. Das an Kenneth Grahams Kinderbuch angelehnte erste Segment um den unvernünftigen Thaddeus Kröte ist schlichtweg brilliant und in sich stimmig, während das zweite um den Dorflehrer Ichabod Crane (nach Washington Irwing) als uneinheitlicher, leicht verstörender Mix aus Farce und Horrorgeschichte daherkommt; mit seinen durchs Band unsympathischen Hauptfiguren lässt einen dieser Teil weitgehend kalt.
Tricktechnisch ist das Ganze auf höchstem Niveau, und wer das zu schätzen weiss, wird durchaus seine Freude an dem Streifen haben.

Durchwachsen II: Man nennt mich Hondo (Hondo, 1953)
John Wayne als Halbblut Hondo Lane, Meldereiter der Armee, beschützt eine Witwe (Geraldine Page) und deren Söhnchen, die mitten im Gebiet kriegerisch gesinnter Apachen leben.
Hondo gilt als einer der besten Rollen des "Duke", doch der Film krankt an seiner auf 3D ausgerichteten Dramaturgie, welche die Effekte in den Vordergrund stellt und die Figuren daneben eher stiefmütterlich behandelt.

Samstag, 25. März 2023

Dornröschen (Sleeping Beauty, 1959)


Walt Disney Produktion
Supervising Director: Clyde Geronimi
Mit den Stimmen von Mary Costa, Bill Shirley, Eleanor Audley, Verna Felton, Barbara Luddy, Barbara Jo Allen u.a.

Sleeping Beauty war der letzte Märchenfilm unter Walt Disneys Aegide. Das Studio arbeitete acht Jahre daran. Der frühere Trickzeichner Clyde Geromini, der schon seit den frühen 50er-Jahren für Disneys Langfilme Regie führte (Cinderella, Peter Pan, Alice in Wonderland), koordinierte die verschiedenen am Film beteiligten Abteilungen. Doch wie immer hielt Meister Disney selbst im Hintergrund die Fäden in der Hand und achtete penibel darauf, dass der Film nach seinen Vorstellungen gefertigt wurde. Disneys Perfektionismus führte dazu, dass die Sequenz, in welcher Prinzessin Aurora den Prinzen zum ersten Mal trifft, vier Mal von Grund auf neu begonnen werden musste, was das Studio gemäss Berichten beinahe in den Ruin trieb.

Disneys Hartnäckigkeit hatte sich - wie immer - gelohnt: Sleeping Beauty ist auf allen Ebenen von einer Schönheit und Perfektion, wie man sie im heutigen Animationsfilm kaum mehr findet. Für das künstlerische Design engagierte Disney den Künstler Eyvind Earle, der Sleeping Beauty einen Look verpasste, wie man ihn bislang in keinem Disneyfilm gesehen hatte.
Alles passt perfekt zusammen, das Art Design, die Musik (nach Tschaikowsky), die herausragende Animation, die einfallsreich gezeichneten Figuren. Obwohl Sleeping Beauty immer als zweitrangiges Disney-Werk angesehen wurde, war ich von dessen effektiver Qualität positiv überrascht. Es gibt keine tote Minute darin, sogar die beiden Liebenden wirken lebendig und sympathisch - und die oben erwähnte schwierige Sequenz, in der die Prinzessin ihrem Prinzen zum ersten Mal begegnet, ist ein Lehrstück an filmischer Erzählkunst. Sie ist so bezaubernd und erfrischend, dass man sie getrost als beste Szene des ganzen Films und als einen Highlight in Disneys Werk bezeichnen kann.

Dornröschen lässt sich im deutschsprachigen Raum problemlos im Stream oder auf Blu-ray/DVD finden.

Ferner liefen:
Unter diesem Titel werden hier andere von mir geschaute Filme kurz besprochen, Filme, die in meinem Empfinden gegenüber dem oben beschriebenen weniger gut abschnitten. Doch Achtung: Auch hier können Perlen dabei sein!
Wer sich näher über die einzelnen Werke informieren möchte, möge auf den jeweiligen Link klicken, der zur englischsprachigen Internet Movie Database führt.

Leider flach: Last Vegas (2013)
Morgan Freeman, Michael Douglas, Robert DeNiro, Kevin Kline und Mary Steenburgen: Ein hochkarätiges Quintett - in einem mittelmässigen Film.
Vier Jugendfreunde kommen nach Jahren wieder zusammen, um eine Jungesellenparty zu feiern. Billy (Michael Douglas), der erfolgreichste des Quartetts, heiratet in Las Vegas seine viel jüngere Freundin. Alte Querelen flackern wieder auf, das Altwerden wird thematisiert und eine bejahrte Clubsängerin (Mary Steenburgen) verdreht zweien von ihnen den Kopf.
Man schaut dank der tollen Schauspieler gerne zu, doch eigentlich ist die Besetzung Perlen vor die Säue geworfen, denn Dan Fogelmans Drehbuch kommt nach einem gelungenen Start einfach nicht in die Gänge und mäandert von einer Platitüde zur nächsten.

Schön, aber..
. Ein liebenswerter Schatten (Follow Me! 1972)
Regie: Carol Reed, Drehbuch: Peter Shaffer - was kann da schiefgehen? Tja, leider... Hier gilt das umgekehrte wie oben: Tolles Drehbuch, solide Regie, aber ein schlechter Hauptdarsteller, der derart stört, dass man den Film nicht so richtig geniessen kann.
Der damals unbegreiflicherweise gefeierte israelische Schauspieler Chaim Topol tritt hier als einen Privatdetektiv auf, der die Gattin (Mia Farrow) eines eifersüchtigen Anwaltes (Michael Jayston) beschatten muss und sich auf Distanz in sie verliebt. Sein Schauspiel ist einfach nur schlecht und weil er im Zentrum steht, ruiniert er einen Film, der das Zeug zum Klassiker gehabt hätte. Farrow und Jayston geben ihr Bestes, doch leider hilft das auch nichts mehr.
Ich hatte mich schon über Topols Ruhm gewundert, als ich mir das gefeierte Musical Anatevka mit ihm angeschaut hatte...


Donnerstag, 2. Februar 2023

Frühstück bei Tiffany (1961)

 
Originaltitel: Breakfast at Tiffany's
Regie: Blake Edwards
Drehbuch: George Axelrod
Mit Audrey Hepburn, George Peppard, Patricia Neal, Buddy Ebsen, Mickey Rooney, Martin Balsam u.a.

Wieder so ein berühmter Film, der bei mir nicht ankommt wie erwartet. Obwohl er von Regisseur Blake Edwards stammt und dieser in der Regel meinen hohen Ansprüchen genügt. Die Krux bei der Sache liegt im Drehbuch - oder müsste man sagen: beim  Drehbuchautor? George Axelrod ist mir schon öfter als uninspiriert-richtungsloser Filmautor aufgefallen.

Entsprechend fallen Charaktere und Handlung auch hier flach, wo doch zu deren Verständnis Vertiefung angesagt wäre. Die Motive und Handlungsweisen der Hauptfigur, des Escortgirls Holly Golightly (Hepburn), sind nie ganz klar, ebensowenig wie ihr Hintergrund. Der neue Mieter, der sich mit ihr anfreundet, Schriftsteller Paul Varjak (Peppard) ist farblos. Dessen Freundin ebenso, und der japanische Nachbar (Mickey Rooney), ist nur komödiantische Dekoration. Nichts führt irgendwohin. 

Wettgemacht wird die Leere mit Augenfutter: Exquisite Kostüme, eine herrliche Farbdramaturgie und einige komödiantisch gelungene Strecken (Regisseur Edwards Stärke).
So wird Breakfast at Tiffany's nie wirklich langweilig, aber er gibt auch nicht viel her.
Auch hier stellt sich mir wieder einmal die Frage: Weshalb wird dieser Film derart abgefeiert?


Freitag, 27. Januar 2023

Der rosarote Panther (1963)



Originaltitel: The Pink Panther
Regie: Blake Edwards
Drehbuch: Maurice Richlin & Blake Edwards
Mit David Niven, Peter Sellers, Claudia Cardinale, Robert Wagner, Capucine, Brenda da Banzie u.a.

Blake Edwards ist ein in meinen Augen völlig unterschätzter Regisseur. Mit der Komödie The Pink Panther schrieb er Kinogeschichte, nicht zuletzt, weil er damit gleich zwei grandiose cinèastische Steine ins Rollen brachte - einerseits die Cartoonserie um den rosaroten Panther (ältere Semester erinnern sich: "Wer hat an der Uhr gedreht...") und die kultige Spielfilm-Serie um den trotteligen, von Peter Sellers gespielten Inspector Clouseau. 

The Pink Panther gilt als erster dieser Serie, doch man merkt ihm an, dass er als singuläres Filmwerk gedacht war. Clouseau spielt hier nur die zweite Geige, der Film dreht sich um den Gentleman-Gauner Sir Charles Litton (David Niven) und den geplanten Raub eines "Pink Panther" genannten Rubins. Das Ereignis des Streifens ist allerdings Clouseau, er stellt mit seiner Dusseligkeit alle anderen Figuren in den Schatten.

Clouseau ist hinter dem "Phantom" her, einem mysteriösen Juwelendieb, der in ganz Europa sein Unwesen treibt. In einem Hotel in den italienischen Alpen glaubt er ihn dingfest machen zu können. Allerdings merkt der Inspektor nicht einmal, dass ihm seine Gattin (Capucine) die ganze Zeit ein Theater vorspielt: Sie ist in Wahrheit eine Meisterdiebin und spannt mit dem "Phantom" zusammen.
Und dann ist da noch Sir Littons diebischer Neffe (Robert Wagner), der es ebenfalls auf den Rubin abgesehen hat.

In einer wunderschönen Eingangssequenz werden die drei Diebe eingeführt - jeder in einer anderen Stadt - danach werden die Fäden in den Alpen zusammengeführt, wo alle drei und die indische Besitzerin des begehrten Klunkers (Claudia Cardinale) zusammentreffen. Und mittendrin: Clouseau, der sich auf all das einsetzende Gemauschel einen Reim zu machen sucht - aber natürlich den falschen.

Das eigentlich geniale an diesem Film ist die bewusst aufgebaute Diskrepanz zwischen der leichtfüssig und höchst elegant inszenierten und konzipierten Handlung und dem Inspektor, der darin herumtrampelt wie der Elefant im Porzellanladen. Daraus ergibt sich fast wie von selbst eine unnachahmliche Komik. Im Vergleich zu den folgenden, ungleich klamaukigeren und lauteren Pink Panther-Streifen steht hier ein Humor im Zentrum, der unbeabsichtigt erscheint und der gerade deshalb unglaublich wirkungsvoll ist.

Blake Edwards war von Peter Sellers komödiantischem Talent so begeistert, dass er fortan für mehrere weitere fruchtbare Projekte mit ihm zusammenspannte.

Montag, 23. Januar 2023

Charlie staubt Millionen ab (1969)


Originaltitel: The Italian Job
Regie: Peter Collinson
Drehbuch: Troy Kennedy-Martin
Mit Michael Caine, Noel Coward, Raf Vallone, Benny Hill, Margaret Blye u.a.

The Italian Job ist ein von Fans gefeierter "Heist Movie". Darin wird der Raub einiger Tonnen chinesischer Goldbarren von einer britischen Gang minuziös geplant und dann auf unkonventionelle Weise durchgeführt - mittels eines künstlich erzeugten Staus in der Innenstadt von Turin.
Ich mag solche Filme, vor allem, wenn sie die Thematik, wie hier, auf humoristische Art angehen.
Von diesem Klassiker wurde ich allerdings enttäuscht. Sein Problem ist nicht die Regie, auch liegt es nicht bei der Schauspielertruppe; diese beiden Komponenten überzeugen. Das Problem liegt beim Drehbuch. Es ist leider schlecht.

Die letzte Halbe Stunde, welche der Durchführung des Raubs gewidmet ist, reisst den Film 'raus, aber bis es endlich soweit ist, vergeht eine halbe Ewigkeit, die mit schlechten Dialogen, nutzlosen Nebenhandlungen, überflüssigen Figuren und einem Plot gefüllt wird, der Löcher in Form des Gotthardtunnels aufweist.
Was soll zum Beispiel die Figur des von Noel Coward mit pompöser Grandezza gespielten Edelgefangenen Broker? Sie ist zu Beginn von Belang, danach aber nicht mehr - trotzdem wird sie immer und immer wieder prominent in Szene gesetzt.
Die ganze Mafia-Nebenhandlung ist komplette überflüssig und verläuft denn auch irgendwann einfach im Sand. Ebenso wird die Freundin des von Michael Caine verkörperten Gauners irgendwann über Bord geworfen - nachdem sie im Film überhaupt keine Funktion hatte.
Und Benny Hills Talent wird in einer winzigen Rolle verschwendet.

Die ganzen Vorbereitungsarbeiten sind erzähltechnisch derart schlecht und fadenscheinig gestrickt, dass man sich wundert, wie der Raub danach derart glatt über die Bühne gehen kann.
Das Einzige, was ich als gelungen gelten lasse, ist die Flucht mit den drei kleinen Fiats. Da haben sich die Macher etwas einfallen lassen, das sich sehen lassen kann.
Trotz dieses schönen Finales und des fiesen Schlussgags bleibt es für mich schwer verständlich, wie ein so schlechter Film
einen derartigen Kultstatus erreichen kann. Offenbar reicht eine gelungen inszenierte Autoverfolgungsjagd dafür aus.


Montag, 5. Dezember 2022

Der Mann, der Liberty Valance erschoss (1962)


Originaltitel:The Man who Shot Liberty Valance
Mit John Wayne, James Stewart, Vera Miles, Lee Marvin, Andy Devine u.a.
Drehbuch:
Willis Goldbeck und James Warner Bellah
Regie: John Ford

Als einen der grossen amerikanischen Filmklassiker bezeichnen viele Kritiker John Fords Der Mann der Liberty Valance erschoss. Einige halten ihn für den grössten Western aller Zeiten, zumindest aber für das beste Spätwerk des grossen John Ford (Früchte des Zorns, Der schwarze Falke). Zeit für eine kritische Würdigung.

Der junge Anwalt Ransom Stoddard (James Stewart) lässt sich im abgelegenen Kaff Shinbone nieder (zu Deutsch „Schienbein“). Die Bewohner des Ortes zittern vor Liberty Valance (Lee Marvin), einem üblen Ganoven, der mit seiner Bande die Leute terrorisiert. Einzig der Farmer Tom Doniphon (John Wayne), ein Haudegen von altem Schrot und Korn, hat keine Angst vor Valance; er rät dem Pazifisten Stoddard immer wieder, das Gesetzbuch gegen eine Pistole auszutauschen, was dieser entrüstet ablehnt. Bis sich der Konflikt zuspitzt und Stoddard keine andere Wahl mehr bleibt…

Der Film ist wohl tatsächlich Fords bestes Spätwerk – als „besten Western“ würde ich ihn allerdings nicht bezeichnen. Man schaut ihn mit Gewinn, wenn man sich auf die Beziehung der beiden gegensätzlichen Hauptprotagonisten konzentriert. Zwischen John Wayne und James Stewart, die hier erstmals gemeinsam vor der Kamera standen, entsteht eine Chemie, welche den Charakteren Tiefe verleiht und die ohne Worte verdeutlicht, dass sich die beiden im Grunde trotz ihrer zunehmenden Feindschaft respektieren und schätzen. Die beiden alten Film-Hasen tragen den Film und sind dessen Hauptattraktion – ungeachtet des Umstandes, dass beide für ihre Rollen sichtlich zu alt sind. Der zweite Vorzug liegt im sorgfältigen und zunehmend spannenden Aufbau der Erzählung, ein Verdienst, der zu grossen Teilen den Drehbuchautoren zukommt.

Thematisch ist der Film für das europäische Durchschnittspublikum von heute allerdings von eher geringem Interesse, da er die amerikanische Politik rund um die Entstehung des modernen Amerika aufarbeitet und die Mythen aufzeigt, auf denen die „neue Welt“ gründet. Liberty Valance ist ein Film, der einiges an Grundkenntnis der Geschichte Amerikas und /oder Interesse daran voraussetzt, um in seiner Grösse verstanden zu werden.

Wermutstropfen bilden der Hang einiger Nebendarsteller zum Schmierentheater, der mit zunehmender Filmdauer immer schwerer ins Gewicht fällt, und John Fords Regieführung, die - typisch für seine späten Filme - zwischen hervorragend und nachlässig schwankt.





 

Mittwoch, 27. Juli 2022

Manhattan (1979)


Regie: Woody Allen
Drehbuch: Woody Allen und Marshall Brickman
Mit Woody Allen, Diane Keaton, Michael Murphy, Mariel Hemingway, Meryl Streep u.a.

Verstehe einer Woody Allen! Nach der Sichtung der Rohfassung von Manhattan, seinem bis heute erfolgreichsten Film, den viele für seinen besten halten, bekniete Allen die Produzenten, den Streifen zu vernichten; er würde dafür kostenlos ein anderes Werk für sie herstellen. Glaubt man den Geschichten, ist es seiner Cutterin zu verdanken, dass Manhatten dann trotzdem in die Kinos kam. Sie soll den Film so umgeschnitten haben, dass auch Allen am Schluss damit zufrieden war.

Der Film dreht sich um den Fernsehshow-Autor Isaac (Woody Allen) wie die Erde um die Sonne. Isaac ist mit der 17-jährigen Studentin Tracy (Mariel Hemingway) liiert; sein bester Freund, der seit Jahren verheiratete Yale (Michael Murphy) beichtet ihm, dass er eine Affäre mit der Kunstkritikerin Mary (Diane Keaton) hat. Als Isaac diese Frau trifft, beginnen sich die Konstellationen zu verschieben; Mary möchte sich von dem verheitrateten Yale lösen, Isaac von der Studentin; beide schieben jeweils moralische Gründe vor, aber meinen sie das ernst? Wissen sie selbst, ob sie es ernst meinen?

Spätestens hier merkt man, dass Isaac, Mary und Yale zwar intellektuell sehr gehoben daherreden können, dass sie aber bezüglich ihrer Gefühle völlig verunsichert sind und komplett im Dunkeln tappen. Mit der Zeit schält Woody Allen auch den Grund dafür heraus, ohne ihn explizit anzusprechen: Angst. Allen drei fehlt das Vertrauen, nicht nur in die anderen, sondern auch in sich selbst.
Dies sprich ausgerechnet die blutjunge Tracy an, die als einzige Reife zeigt. Ihr letzter Satz - und gleichzeitig der letzte Satz des Films - ist eine Bitte und gleichzeitig ein Rat an Isaac: "Have a little faith in people!" ("Habe ein wenig Vertrauen in die Menschen!")

Die eingangs zitierte Episode um das Zurückziehen des Films zeigt, dass Woody Allen wohl zu jener Zeit genau so unsicher und ängstlich war wie der von ihm im Film portraitierte Isaac. Wie anders lässt sich sein Fehlurteil bezüglich des Films erklären, der ein Riesenerfolg bei Kritikern und Publikum wurde und neue Masstäbe im Film setzte? Es gibt in Manhattan weitere Hinweise, dass Allen sich hier wie in keinem anderen seiner Filme selbst portraitiert, dass sich in Manhattan Fiktion und Biografie auf unentwirrbare Weise verflechten.


Der Film ist auch, wie der Titel schon sagt, das Portrait des wohl berühmtesten Stadtbezirks von New York, Manhattan. Allerdings muss diese oft gemachte Aussage präzisiert werden: Woody Allen entwirft hier sein Wunsch-Manhattan, ein durch grandiose Schwarzweiss-Bilder (Kamera: Gordon Willis), Montage, Musikuntermalung und Dialoge evoziertes Intellektuellen-Refugium und als Stadtneurotiker-Auffangbecken, das sich seither als geläufige Vorstellung dieses Stadtteils in den Köpfen eingenistet hat. Manhattan kreiert eine Scheinwelt, die so gut ist, dass man sie gern für bare Münze nimmt, eine Welt, in der alle stets eine clevere Antwort parat haben und witzig-gelehrte Sprüche im Akkord 'raushauen können.

Eine kleine Episode möchte ich als Beleg für meine obige Behauptung anführen. Alle kennen das Poster zum Film (s.oben), es gehört zu den ikonischen Bildern der Filmgeschichte, und es ist auch im Film enthalten: Woody Allen und Diane Keaton sitzen im Morgengrauen auf einer Parkbank vor der Queensboro-Bridge - eine unsterbliche Bildkomposition, das unsere Vorstellung von New York geprägt hat, ein Bild, auf dem alles stimmt.
Nur die Bank nicht. Da gab es nämlich gar keine. Sie musste für die Szene extra angeschleppt werden. Ohne die Bank wäre das Stimmungsbild gewöhnlicher, jedenfalls weniger beeindruckend.

Manhattan ist zudem jener Film Woody Allens, in dem er sein fiktives Selbstportrait mit dem fiktiven Portrait "seiner" Stadt untrennbar verquickt und daraus ein Lebensgefühl destilliert, das auch vielen seiner späteren Werken anhaftet und sie einzigartig macht.
Und obwohl die Intelligenzija der Stadt, die da portraitiert wird, nur mit sich selbst beschäftigt ist, d.h. jeder einzelne ausschliesslich mit sich, macht der Film grosse Freude. Das liegt zum einen an den lebendig gezeichneten und nur leicht überspitzten Figuren und zum anderen am omnipräsenten Witz, der auch die besinnlichsten Passagen immer wieder konterkariert und ridikülisiert. Gleichzeitig ist Manhattan überschattet von sanfter Melancholie, evoziert von der Unmöglichkeit der Figuren, aus ihrer bindungscheuen Einsamkeit auszubrechen und eine tragfähige Bindung einzugehen. 

Wie in den meisten Woody-Allen- Filmen geht es in Manhattan um die Liebe zwischen Mann und Frau, respektive um deren Komplexität. Ganz anders als in den Hollywood-Filmen der goldenen Aera, die Allen so liebt, welche nach der einfachen Formel "Boy meets girl - and they lived happily ever after" gestrickt waren, ist die Liebe bei diesem Filmemacher immer mit Agonie, Irrungen, Täuschungen und Enttäuschungen und vor allem mit Zweifeln und Ängsten, kurz, mit Problemen verbunden. Die Unmöglichkeit, vorbehaltlos und in romantischer Eintracht zu lieben, evoziert eine Melancholie, oft auch eine Bitterkeit, der stets mit bisweilen absurdem Humor, mit Sarkasmen und unvergesslichen, bissigen "one-linern" begegnet wird. Das ergibt eine umwerfende, unwiderstehliche Wirkung!
Woody Allens beste Werke sind Problemfilme, in denen man sich königlich amüsiert - und Manhattan ist der Prototyp davon.

Manhattan ist im deutschsprachigen Raum auf Blu-ray und DVD erschienen; beide sind antiquarisch noch erhältlich. Im Stream ist er bei den hier aufgeführten Anbietern verfügbar.
Man kann ihn auch hier - in der englischsprachigen Originalfassung online ansehen - ohne Werbung und Gebühren.

Woody Allen mit einer damals gerade aufstrebenden jungen Schauspielerin in Manhattan

 

Ferner liefen:
Unter diesem Titel werden hier andere von mir geschaute Filme kurz besprochen, Filme, die in meinem Empfinden gegenüber dem oben beschriebenen weniger gut abschnitten. Doch Achtung: Auch hier können Perlen dabei sein!
Wer sich näher über die einzelnen Werke informieren möchte, möge auf den jeweiligen Link klicken, der zur englischsprachigen Internet Movie Database führt.

Eine Entdeckung: Spiel mit dem Tode (The Big Clock, 1948)
Als dem von seinem Vorgesetzten über Gebühr ausgebeuteten Investigativjournalisten George Stroud (Ray Milland) die Ehefrau dazulaufen droht, weil er nie Zeit für ihre seit Jahren anstehenden Flitterwochen hat, begibt dieser sich im Frust auf eine nächtliche Sauftour mit einer Kollegin - im Unkenntnis darüber, dass diese die Geliebte seines Chefs ist. Nachdem er sie heimgebracht hat und gerade geht, kreuzt sich Strouds Weg mit dem seines Chefs, dem ruchlosen Verleger Janoth (Charles Laughton), der gerade nach Hause kommt. Beide erkennen sich allerdings auf die zu grosse Distanz nicht. In dieser Nacht erschlägt Janoth seine Mätresse im Streit.
Sofort erinnert er sich an den Mann, den er das Apartement hat verlassen sehen und plant mit seinem Geschäftspartner Hagen (George Macready), dem Unbekannten die Schuld in die Schuhe zu schieben. Da das Magazin, für welches Stroud schreibt, sich um ungelöste Morde dreht, betraut Janoth Stroud und dessen Stab mit der Aufgabe, die Identität dieses Mannes, des "unbekannten Mörders" aufzudecken.
Es dauert nicht lange, bis Stroud klar wird, dass die Tote seine Kollegin von letzter Nacht ist und dass er somit gegen sich selbst ermittelt. Da die Sauftour mehrere Stationen hatte, finden sich immer mehr Zeugen ein, welche die beiden vor dem Mord zusammen gesehen haben. Das Netz zieht sich immer enger um Stroud zusammen...
Die ausgeklügelte Story entstammt einem damals sehr populären Roman von Kenneth Fearing - sie ist so gut, dass sie sich praktisch von selbst verfilmt. In der Tat ist die konventionelle Regie (von Mia's Vater John Farrow) die schwächste Komponente in diesem Film. Das hervorragend aufgebaute, spannungsorientierte und streckenweise auch höchst witzige Drehbuch zusammen mit den beiden tollen Hauptdarstellern machen aus The Big Clock einen der erinnerungswürdigsten Krimis aus dem Hollywood der späten Vierzigerjahre.
Unnötig zu sagen, dass Charles Laughton, einer meiner absoluten Lieblingsschauspieler, ein Fest aus seiner fiesen Hauptfigur macht; Earl Janoth gehört für mich zu seinen denkwürdigsten und prägnantesten Rollen.
Im deutschsprachigen Raum ist der Film als Spiel mit dem Tode auf DVD erschienen, die noch antiquarisch erhältlich ist.
Ansonsten kann man den Film hier in der englischsprachigen Originalfassung und in HD ansehen (ohne Werbeunterbrüche oder Gebühren).

Eine Überraschung: Jurassic Park III (2001)
Der dritte Teil der von Steven Spielberg begonnenen Jurassic Park-Trilogie ist bei weitem nicht so schlecht, wie die Fans behaupten. Spielberg hat die Regie hier an Joe Johnston abgegeben, und der liefert eine absolut solide Arbeit ab; nicht so raffiniert wie der Meister selbst in Teil 1, aber immerhin etwa auf demselben Level wie Spielbergs lustlose Inszenierung des zweiten Teils.
Plus Jurassic Park III liegt ein sehr gutes, teils wunderbar witziges Drehbuch zugrunde (an welchem Alexander Payne mitgewirkt hat!). So erscheint Jurassic Park III streckenweise wie eine Parodie des Originals, und das ist gut so, denn die Serie hatte sich schon im zweiten Teil totgelaufen.
Hier wird der gute alte Dr. Grant (Sam Neill) wieder rekrutiert; er soll mithelfen, einen auf der verbotenen Dinosaurier-Insel Sorna verschollenen Jungen zu suchen. Mit von der Partie: Eine kleine Söldner-Truppe, Dr. Grants Assistent Billy (Alessandro Nivola) und die geschiedenen, dschungel-unerprobten Mittelstands-Eltern des Jungen (Téa Leoni und William H. Macy). Und natürlich alle Riesenechsen der Insel plus ein Schwarm Archaeopteryxe. Eine fröhliche Jagerei und Cliffhangerei beginnt, die nie nachlässt und die mir fast soviel Spass gemacht hat wie der Originalfilm. Das hatte ich angesichts der vielen mauen Kritiken nicht erwartet - eine angenehme Überraschung!
Der Film kann bei zahlreichen Online-Diensten gestreamt werden - er ist auch auf Blu-ray und DVD erhältlich.

Ein "Stinker"
: Freundinnen (Beaches, 1988)

Und hier noch ein Reinfall!
Beaches erzählt von der langjährigen Freundschaft zweier Frauen (Bette Midler und Barbara Hershey), die eine aus armem Haus, die andere aus reichem, die eine kampfgewohnt, die andere verwöhnt.
Nur schon die Konstellation funktioniert nicht: Sie ist komplett unglaubwürdig, einerseits, weil wir nie sehen, wie sich diese Freundschaft entwickelt (der Film ist eine lange, episodenhafte Rückblende), und weil die beiden Hauptcharaktere papieren und alles andere als glaubhaft-lebendig gezeichnet sind. So bleibt die Freundschaft in diesem Film einfach eine Behauptung.
Kommt erschwerend dazu, dass sowohl Bette Midler als auch Barbara Hershey viel zu alt für ihre Rollen sind, vor allem, was die Anfangsjahre ihrer Freundschaft betrifft.
Und es kommt noch weiter erschwerend dazu, dass beide entsetzlich schlecht schauspielern. Bette Midler nervt mit ihrer zur Stereotype erstarrten Bette-Midler-Routine und Barbara Hershey - nun, sie ist einfach schlecht!
Am Schluss wird zusätzlich auf die Tränendrüse gedrückt ...
Ich fand den schon damals, bei seiner Kinopremiere nicht gut, jetzt, bei der zweiten Sichtung 34 Jahren später, fand ich ihn richtig grottig.
Wer ihn trotzdem anschauen will - hier der Link dazu (Werbe- und Gebührenfrei).

Donnerstag, 21. Juli 2022

Jungle (2017)


Australien/UK 2017
Regie: Greg McLean
Drehbuch: Justin Monjo
Mit Daniel Radcliffe, Alex Russell, Thomas Kretschmann, Joel Jackson u.a.
Dauer: 1h 55min

Bolivien, 1981. Der junge Yossi Ghinsberg (Daniel Radcliffe) reist als Rucksacktourist in Südamerika herum. Und wie das so ist in der Backpacker-Szene: Er trifft Gleichgesinnte, tut sich für eine kurze Wegstrecke mit anderen zusammen, man trennt sich wieder und trifft sich irgendwann erneut.
Auf diese Weise
finden Leute aus aller Welt zusammen: Yossi (Israel), Kevin (Kanada) und Markus (Schweiz) finden sich und bleiben eine Weile in einer Backpacker-Kommune zusammen. Bis Yossi sich von Karl (Deutschland) zu einem mehrtägigen Dschungeltrip überreden lässt. Der um einiges ältere Karl kennt den unzureichend kartografierten Urwald wie seine Westentasche und er ist unterwegs zu einem vergessenen Eingeborenenstamm. So behauptet er jedenfalls...

Zunächst geht alles gut, Karl (Thomas Kretschmann) gibt den Führer, die drei jungen Männer folgen ihm und lassen die endlose Ausbreitung seiner seltsamen, marxistisch angehauchten Weltsich über sich ergehen. Eine Weltsicht, die in der Aussage gipfelt, der zivilisierte Mensch sei eine Fehlentwicklung und müsse zum Verschwinden gebracht werden.
Als Markus (Joel Jackson) wegen wunder und entzündeter Füsse das Vorwärtskommen der Gruppe immer mehr verlangsamt, setzt dies Ereignisse in Gang, die im Tod zweier Expeditionsteilnehmer und im Beinahe-Tod von zwei anderen gipfeln.

Greg McLeans Film folgt den Begebenheiten, die der echte Yossi Ghinsberg in seinem Buch Jungle (dt.: Dem Dschungel entkommen) minuziös nachgezeichnet hat. Der amerikanische Drehbuchautor Justin Monjo hat die Vorlage filmgerecht aufbereitet. Obwohl ich mir zeitweise einen subtileren Regisseur gewünscht hätte, ist Jungle ein ungeheuer packendes Filmerlebnis geworden.

Das liegt zum einen an der spannenden Geschichte. Sie beginnt beschaulich mit der skizzenhaften, aber genauen Beschreibung des Backpacker-Milieus. Als dann Karl zum ersten Mal auftaucht (Kretschmann kriegt die Zwielichtigkeit seiner Figur von Beginn weg hervorragend hin), läuten beim Publikum bereits die Alarmglocken: Geht nicht mit dem mit, will man den drei Freunden zurufen. Doch Yossi überredet seine skeptischen Kumpel, und das Unglück nimmt, zunächst in kleinen Schritten, seinen Lauf, bevor es in die grösstmögliche Katastrophe mündet: Yossi und Kevin werden im tiefsten Dschungel getrennt, verlieren sich aus den Augen und müssen, jeder auf sich allein gestellt, ums Überleben kämpfen. Kevin (Alex Russell) wird nach ein paar Tagen zufällig von Fischern gefunden, Yossi irrt drei ganze Wochen allein durch das endlose Waldgebiet, bis er erst dem Wahnsinn und dann dem Tod nahe ist.

 
Das Drehbuch baut den Höllentrip sorgfältig auf bis zum Höhepunkt, den Yossis einsamer Irrlauf durch den menschenfeindlichen Urwald beinhaltet. Er erzählt dabei chronologisch und versteht es, Spannung zu erzeugen, obwohl die Zuschauer den glücklichen Ausgang der Geschichte bereits kennen.
Einige unappetitliche Episoden wurden weggelassen, dafür stellvertretend steht die Geschichte mit der "bewohnten" Beule, die plötzlich an Yossis Stirn zu wachsen beginnt. Unter anderem hier wird das Dilemma deutlich, vor dem sich der Drehbuchautor gegenüber sah: Die exakte Darstellung von Yossis Überlebenskampf hätte eine ganze Spielfilmlänge benötigt. Der Autor behilft ich mit
exemplarischen Sequenzen: Eine für die ekligen, aber ungefährlichen Begebenheiten, zwei je für das Auffinden von Nahrung und Wasser, und eine für Raubtierbegegnungen. Das Konzept überzeugt nicht ganz, denn der Urwald erscheint dadurch etwas zahm und seltsam gnädig gestimmt. Der Stossrichtung des Films (siehe weiter unten) tut das aber keinen Abbruch.

Ein weiterer Grund für das Gelingen des Filmprojektes sind die Schauspieler. Ab der Hälfte wird Jungle zum Daniel-Radcliffe-Sololauf. Er meistert den schwierigen Part hervorragend - eine bewundernswerte Leistung! Radcliffe hungerte sich für das letzte Drittel sogar zum Skelett herunter - was nach meinem Dafürhalten nicht hätte sein müssen. Radcliffe ist glaubhaft genug.
Auch die anderen drei spielen ihre Rollen bestens. Beim Schweizer Lehrer Markus war ich hinterher überrascht zu erfahren, dass er von einem Australier verkörpert wurde - Joel Jackson trifft die Note "schweizerischer Lehrer" derart perfekt (und ich muss es wissen, denn ich bin selbst ein schweizerischer Lehrer). Und Kreschmann gibt den Öko-Spinner so glaubhaft ("die Eingeborenen sind uns Zivilisierten weit voraus!"), dass ich mich unweigerlich in die Achzigerjahre zurückversetzt fühlte.

Nächtes Plus: Die Kamera (Stefan Duscio). Jungle besticht mit geschickten Bildkompositionen und vor allem mit wunderbaren Dschungelbildern, obwohl hier der australische Urwald für den bolivianischen ausgegeben wird (Stellenweise bemerkt man den Schwindel). Jungle vermittelt das Gefühl von der menschlichen Winzigkeit angesichts der gewaltigen Natur sehr gut; Worte werden angesichts der Bilder überflüssig. 

Letzteres ist eine Botschaft des Films - aber nicht die einzige.
Auf ebenso unaufdringliche Art und Weise ist Jungle ein Manifest des menschlichen Überlebenswillens. Yossi gibt nicht auf. Immer weitergehen, sagt er sich wie ein Mantra immer wieder vor, geh' vorwärts, lauf weiter, nicht stehen bleiben. Man nimmt Daniel Radcliffe diese Einstellung, aber auch die zunehmend tödlichere Erschöpfung ab. Ohne einen derart starken Hauptdarsteller wäre diese Wirkung des Films wahrscheinlich ausgeblieben.

Ich war übrigens zuerst etwas irritiert darüber, dass hier ein Brite einen Israeli spielt (mit gekünsteltem Akzent); das ginge heute dank politischer Korrektheit wohl nicht mehr. Nach den ersten fünf Minuten ist die Irritation aber vergessen. Hinterher las ich, dass Radcliffe ein halber Jude ist (die Vorfahren seiner Mutter waren jüdische Einwanderer aus Polen und Russland und hiessen Gershon). Also alles politisch in korrekt trockenen Tüchern! Niemand muss sich aufregen. Das würde sowieso nur von diesem empfehlenswerten Film ablenken...

Jungle ist auf Blu-ray und DVD im deutschsprachigen Raum greifbar. Auch online kann er geschaut werden - bei diesen Anbietern.
Man kann ihn auch hier - in der englischsprachigen Originalfassung online ansehen - ohne Werbung und Gebühren.



Who is who in diesem Film?

Daniel Radcliffe - muss man den langjährigen Harry Potter-Darsteller überhaupt vorstellen? Bereits mit 10 Jahren stand er vor der Kamera, in der Britischen TV-Serie David Copperfield. Dann kamen die Grossproduktione um Harry Potter, allen bekannt, und danach nahm Radcliffe nur noch Rollen in kleinen, unabhängig produzierten Kinofilmen an. Diesen war allerdings meist kein Erfolg beschieden. Ob ihn das 2016 zurück zu grossen Produktionen wie Die Unfassbaren 2 führte - wer weiss?

Thomas Kretschmann begann als Jugendlicher in der DDR mit einer Karriere als olympischer Schwimmer. Mit 17 hängte er die Schwimmerei an den Nagel und plante, mit der Schauspielschule zu beginnen, was er jedoch - jedenfalls in der DDR - nie tat. 1983 flüchtete Kretschmann in den Westen, wo er schliesslich und endlich die Schauspielschule besuchte.
Seine erste Film-Hauptrolle spielte er in Joseph Vilsmaiers Stalingrad. Ab ca. 2002 bekam er auch Nebenrollen in Hollywood-Filmen, etwa in Blade II, Pater Jacksons King Kong oder in Bryan Singers Operation Walküre.

Greg McLean, der australische Regisseur des Films, arbeitete zuerst als Theater- und Opernregisseur, bevor er die Leinwand mit grauslichen Splatter-Horror-Streifen wie Wolf Creek (2005) eroberte. Jungle ist sein erster Kinofilm in einem anderen Genre.

Ferner liefen:
Unter diesem Titel werden hier andere von mir geschaute Filme kurz besprochen, Filme, die in meinem Empfinden gegenüber dem oben beschriebenen weniger gut abschnitten. Wer sich näher über die einzelnen Werke informieren möchte, möge auf den jeweiligen Link klicken, der zur englischsprachigen Internet Movie Database führt.

Eine Entdeckung: Mörderischer Vorsprung (Shoot to Kill, 1988)
Der altgediente FBI-Mann Warren Stantin (Sidney Poitier) wird von einem schlauen Diamantenräuber und Killer genarrt, der ihm eine schmachvolle Niederlage bereitet. Als der Gesuchte in den Bergen nahe der kanadischen Grenze auftaucht, begibt sich Stantin auf unbekanntes Terrain. Mit Hilfe des eigenbrötlerischen Bergführers Knox (Tom Berenger) wird die Jagd durch undurchdringliche Wälder, reissende Wildwasser und schwindelnde Höhen fortgesetzt.
Shoot to Kill bezieht einen Grossteil seines komischen Potentials aus dem Umstand, dass der grossstadt-erprobte FBI-Macker in der Bergwelt ziemlich hilflos dasteht. Das ständigen Kabbeleien mit seinem übellaunigen Führer sorgen für die komischen Momente in diesem ansonsten atemlos spannenden Film. Der Killer hat sich inzwischen einer kleinen Männer-Wandergruppe angeschlossen, die von Knox Freundin Sarah (Kirstie Alley) geführt wird...
Der von Roger Spottiswoode sehr effektiv inszenierte Streifen lässt keinen Moment nach. Ständig tauchen neue Gefahren auf, der Zuschauer weiss lange Zeit nicht, wer der Bösewicht ist und der FBI-Mann erweist sich als Klotz am Bein des Unternehmens. Das Drehbuch zieht sämtliche Spannungsregister, und lässt für die kribbligen Momente von Höhenangst über wilde Bären nichts aus.
Leider gibt es auch ein paar signifikante Unstimmigkeiten, die sich vor allem im Showdown für leichte Irritation sorgen.
Mein Tipp: Logikmodus ausschalten und geniessen! Dann macht der Film richtig Spass.
Es gab ihn mal auf DVD, diese ist antiquarisch noch relativ günstig erhältlich.
Oder dann hier - in der englischsprachigen Originalfassung (werbefrei, ohne Gebühren).

Mörderraten: In der Stille der Nacht (Still of the Night, 1982)
Dieser Film stand am Anfang von Meryl Streeps beispiellosem Aufstieg zum Superstar. Im Jahresrhythmus war sie in den Achzigerjahren in Grosserfolgen wie Sophie's Choice, Silkwood, Jenseits von Afrika, Wolfsmilch und anderem zu sehen.
Still of the Night ist ein Crime-Thriller um einen Psychiater (Roy Scheider), der einen ermordeten Restaurator behandelt hatte - welcher eines Tages ermordet aufgefunden wird. Nun befindet sich auch der Psychiater in Gefahr, da der Mörder ja nicht weiss, ob ihm der Psychiater aufgrund von Hinweisen seines Patienten nicht auf die Spur kommen könnte. Wir Zuschauer wissen auch in diesem Film lange nicht, wer der Mörder ist. Ist es vielleicht die Geliebte des Ermordeten (Meryl Streep), die plötzlich in des Psychiaters Praxis auftaucht?
Robert Benton hat hier einen bedächtig sich entwickelnden Thriller geschrieben und inszeniert, der grosse Qualitäten, aber auch einen enttäuschend plumpen Schluss hat.
Die Qualitäten: Ein äusserst funktionales, elegantes und schlankes Drehbuch, zwei hervorragende Hauptdarsteller, tolle Kameraarbeit (Nestor Almendros) und ein grandioses "Produktionsdesign" (Mel Bourne). Eigentlich ist Still of the Night ein Genuss.
Das führt zur der Frage: Warum bloss ruiniert ein vergeigter Schluss, der vielleicht fünf Minuten dauert, alles, was vorher war? Wenn ein Film mit einer erzähltechnischen Enttäuschung endet, färbt das leider ab.
Es hilft, wenn man sich bewusst macht, dass der Schluss an den schauspelerischen Leistungen, der Kameraarbeit und den tollen Sets nichts ändert. Diese Vorzüge hatte ich während der Sichtung genossen, die ökonomische Erzählweise ebenso. Und das zählt auch nach der Auflösung.
Der Film ist als In der Stille der Nacht auf Blu-ray und DVD erschienen. Im Stream kann er bei diesen Anbietern abgerufen werden.
Oder in der englischsprachigen Originalfassung (werbefrei, ohne Gebühren) hier.

Fauler Zauber: Die Unfassbaren - Now You See Me (Now You See Me, 2013)
Vier der besten Zauberer schliessen sich zu der Formation "Four Horsemen" zusammen und begehen während ihren gigantischen Bühnenshows spektakuläre Raubüberfälle. Das Ganze ist eine Bewährungsprobe, hinter welcher ein unbekannter Magier steht. Das FBI und Interpol, die dicht an ihren Fersen kleben, können die "Four Horsemen" dank ihrer schier unerschöpflichem Trick-Reservoir immer wieder abschütteln und dumm aussehen lassen.
Now You See Me von Regisseur Louis Leterrier ist von Anfang bis Ende höchst amüsant und unterhaltsam, glänzt mit einigen grossen Namen (Woody Harrelson, Morgan Freeman, Michael Caine, Mark Ruffalo), doch hinterlässt er einen eher durchwachsenen Eindruck, was den Handlungsverlauf betrifft. Die Schlusspointe schliesslich ist eher ein Schlag ins Gesicht als eine wirkliche Pointe, denn sie wirkt derart aufgesetzt und an den Haaren herbeigezogen, dass man sich verschaukelt vorkommt.

Harolds liebe Schwiegermama (Hot Water, 1924)

Originaltitel: Hot Water Regie: Fred C. Newmeyer und Sam Taylor Drehbuch: Sam Taylor, John Grey, Tim Whelan und Thomas J. Gray Mit Harold ...