Donnerstag, 25. Juni 2020

Sehnsucht ohne Ende (Forbidden, 1932)


Forbidden (dt.: Sehnsucht ohne Ende, 1932)
Mit Barbara Stanwyck, Adolphe Menjou, Ralph Bellamy, Dorothy Peterson, Thomas Jefferson u.a.
Drehbuch: Jo Swerling nach einer Story von Frank Capra
Regie: Frank Capra
Kamera: Joseph Walker
Genre: Romanze, Drama

Studio: Columbia
Kino/TV-Auswertung im deutschsprachigen Raum: nicht bekannt
Dauer: 88 min

Farbe: schwarzweiss


Die Kleinstadtjournalistin Lulu Smith (Barabara Stanwyck) droht in dem Kaff, in dem sie aufgewachsen ist, zu versauern. Eines Tages holt sie all ihre Erspranisse von der Bank und begibt sich auf Kreuzfahrt, resp. Männersuche. Und prompt trifft sie auf den charmanten Bob (Adolphe Menjou), mit dem sie eine wunderbare Zeit erlebt; beide verlieben sich und sehen sich nach der Reise weiter. Lulu richtet sich in seiner Nähe ein neues Leben ein und nimmt in der Grossstadt eine Stelle bei einer Zeitung an.
Eines Tages gesteht Bob ihr, dass er verheiratet sei - mit einer invaliden Frau. Er will die Romanze aber weiterführen, und Lulu hält zu ihm.
Dies ist die erste von mehreren Erniedrigungen, welche unsere Heldin von ihrem Lover erdulden muss; und sie tut es - aus lauter Liebe und Ergebenheit. Für das Werben ihres langjährigen Freundes Al (Ralph Bellamy) hingegen hat sie kein Gehör...

Von der Komödie zum Melodram
Dieser kaum bekannte Film aus Frank Capras Frühzeit ist ein seltsames Konstrukt. Er beginnt wie eine typische Capra-Komödie mit ulkigen Nebenfiguren, komischen Situationen und rasantem Wortwitz-Ping-Pong. Die Geschichte entwickelt sich mittels wunderbaren erzählerischen Kniffen rasch und schnörkellos. Die romantischen Szenen zwischen Stanwyck und Menjou sind gleichzeitig herzig, albern und rüde - damit stand Capra total quer zu den damals üblichen, noch vom Stummfilm abstammenden schwülstigen und

pathosgetränkten cinèastischen Liebesschwüren.
Doch schade: Kaum hat man sich's wohlig im Komödienmodus eingerichtet, schlägt der Ton unvermittelt um: Lulu kriegt ein Kind von Bob; dieser will das Baby adoptieren (für ihn werbewirksam, da er als Gouverneur kandidiert); Lulu soll als Kindermädchen getarnt bei ihm und seiner Frau einziehen.

Ab hier wird der Ton melodramatisch, Lulu opfert sich für ihr Kind und für Bob, der sie immer schäbiger behandelt, sie aber in einem Winkel seines verdreben Herzens wirklich zu lieben scheint. 

Für uns wird es schwierig, dem Film ab hier zu folgen. Als auf emanzipierte Frauenfiguren konditionierte Kinogänger fällt es uns Heutigen schwer, solch immense Opferbereitschaft einem Mann gegenüber zu goutieren - und dann auch noch von der Stanwyck, die später zur Ikone der starken, unabhängigen Frau im Film wurde (Forty Guns, 1957). Die Stanwyck macht in Capras Film durchaus glaubhaft, dass sie bis zum Liebestod gehen würde, ulkigerweise nimmt man ihr dies rückwirkend nicht mehr ab; mit all den starken Frauenfiguren im Hinterkopf, welche die Stanwyck nach diesem Film verkörpert hat, kommt einem diese liebeskranke Lulu Smith schräg und unglaubwürdig vor.
1932 glaubte man ihr die Rolle, weil sie von der Stanwyck verkörpert wurde - 2020 nimmt man sie ihr nicht mehr ab - weil sie von der Stanwyck verkörpert wurde. Sowas kann passieren, wenn man sein Leben lang im Filmbusiness ist.


Eine feste Grösse im Hollywoodkino
Ausser der Stanwyck und Bette Davis kommen mir keine anderen Schauspielerinnen in den Sinn, von der man, je nach Film, der gerade läuft, sagen kann: "Schon damals hatte die Filme gemacht?" oder: "Zu dieser Zeit hatte die immer noch Filme gemacht?"
Das Besondere an diesen beiden äusserst vielseitigen Schauspielerinnen ist, dass sie von Anfang bis Ende der grossen Aera von Hollywoods Tonfilmzeit stets in vorderster Reihe mit dabei waren (die Davis sogar länger).
Andere berühmte Aktricen wie die Garbo, die Bergman, die Monroe tauchten entweder erst viel später auf oder waren viel früher wieder weg. Barbara Stanwyck ist so etwas wie eine weibliche Konstante im klassischen Hollywoodfilm. Von 1929 bis 1964, vom Aufstieg bis zum Fall der grossen Studios war sie - jedenfalls bis 1957 - ohne Unterbruch auf der grossen Leinwand präsent; ab 1957 wandte sie sich vermehrt dem Fernsehen zu, wo sie ab 1964 eine zweite Karriere mit Serien wie Zane Grey Theater (dt.: Abenteuer im Wilden Westen) und Big Valley verfolgte. Im Kino war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu sehen.

Ein Blick auf den Werbeslogan des Forbidden-Filmplakats ("Her Greatest Dramatic Role!") verbunden mit dem prominent darauf abgebildeten Portrait der Stanwyck und ihrem Namen gross über jenem des damals seit Jahren prominenten Adolphe Menjou weist darauf hin, dass sie bereits 1932 beträchtlichen Starruhm genoss - und Forbidden war erst ihr zehnter Film! 

Zeitungsannonce für den Film
Der Production Code und die Wirklichkeit
Dass in einem alten Hollywoodfilm eine Frau vorkommt, die 
eine Beziehung zu einem verheirateten Mann unterhält, ist noch nichts wirklich Ungewöhnliches; dass sie als Heldin im Zentrum steht, schon eher; der Umstand aber, dass sie in einer unehelichen Beziehung schwanger wird, erscheint geradzu skandalös. Wer den klassischen Hollywood-Film der späten Dreissiger und frühen Vierzigerjahre kennt, dem ist garantiert noch nie so etwas unmoralisches untergekommen. Doch 1932, als Forbidden produziert wurde, war es noch möglich. 
Bereits zwei Jahre später wäre diese Wendung der Schere der Zensoren zum Opfer gefallen, welche die Filmmetropole nach Installierung des sogenannten Hays-Codes heimsuchten. 
Der Hays-Code (eigentlich "Production Code" genannt) war ein Katalog von Richtlinien, der zunächst auf freiwilliger Basis, die Filmproduzenten zu moralischer Sauberkeit aufforderte. Ab 1934 hatte sich jedes Studio daran zu halten. 
Im Grunde war der Code die pure Heuchelei, denn hinter der Fassade Hollywoods ging es natürlich weiterhin so frivol zu wie vor dem Code. Auch hinter den Kulissen von Forbidden spielte sich Ungehöriges ab, unterhielt doch die (verheiratete) Stanwyck eine Affäre mit ihrem Regisseur - was offenbar regelmässige argwöhnische Besuche ihres streitsüchtigen Ehemannes am Set zur Folge hatte.
Wie lange das Techtelmechtel lief, kann man anhand der Kolaboration der beiden erahnen: Stanwyck und Capra drehten in den frühen Dreissigerjahren mehrere Filme in Folge miteinander. 


Capras Können
Zum Glück glänzt der mit zunehmender Filmdauer immer mehr in Trübsal versinkende Forbidden konstant mit grandiosen Regieeinfällen und cinématographischer Raffinesse. Damit bewahrt Capra seine Soap-Opera davor, ins Lächerliche zu kippen - oder macht das Kippen zumindest ertäglich. Es finden sich zahlreiche Hinweise darauf, dass da ein erfahrener, künstlerisch hoch begabter Regisseur am Werk ist. So besticht er immer wieder durch die Ökonomie der filmischen Erzählung, schafft mit wenigen Mitteln schöne, wunderbar
Während dem Dreh (in der Mitte: Frank Capra)
elegante Szenenübergänge, die den Erzählfluss vorantreiben ohne in die im frühen Tonfilm häufige Geschwätzig zu verfallen.
Es steckt schon viel vom reifen Capra drin und dies zu entdecken, ist das eigentliche Plus des Films. Dies, die Chemie zwischen Stanwyck und Menjou und die grandiose erste halbe Stunde machen Forbidden sehenswert.


Von dem Film existiert zwar ein - ausgesucht schwülstiger - deutscher Titel (Sehnsucht ohne Ende), doch lässt sich ein Premieren- resp. Ausstrahlungstermin für den deutschsprachigen Raum seltsamerweise nirgends eruieren. Entweder wurde zur Zeit des Filmstarts eine Veröffentlichung in Deutschland nur geplant, aber nicht durchgeführt oder es gab einen Start, dessen Datum im Lauf der Zeiten verloren gegangen ist.

Forbidden findet sich in der DVD-Box Frank Capra: The Early Collection von TCM, zusammen mit weiteren Frühwerken des Meisters - die Box ist eine wahre Fundgrube für Capra-Interessierte. Unnötig, zu sagen, dass Forbidden hierzulande mangels breitem Interesse weder auf Blu-ray noch auf DVD noch im Stream existent ist.

Michael Scheck

Freitag, 19. Juni 2020

...denn sie wissen nicht, was sie tun (Rebel Without A Cause, 1955)


Rebel Without A Cause (dt.: ...denn sie wissen nicht, was sie tun, 1955)
Mit James Dean, Natalie Wood, Sal Mineo, Jim Backus, Corey Allen, Ann Doran, Dennis Hopper u.a.
Drehbuch: Stewart Stern nach einer Geschichte von Nicholas Ray
Regie: Nicholas Ray

Musik: Leonard Rosenman
Kamera: Ernest Haller
Genre: Drama

Studio: Warner Bros.
Kino/TV-Auswertung im deutschsprachigen Raum: Kino-Premiere im März 1956
Dauer: 100 min
Farbe: color


Zu Beginn des Films landen die drei Hauptprotagonisten Jim (James Dean), Judy (Natalie Wood) und Plato (Sal Mineo) unabhängig voneinander auf der Polizeiwache von L.A., allerdings noch ohne sich zu kennen. Zwei jugendliche Delinquenten und eine Delinquentin, die aus unterschiedlichen Gründen der Unruhestiftung aufgegriffen worden sind, ins Gebet genommen werden und danach ihren Eltern übergeben werden.
Schon in dieser ersten Sequenz wird deutlich, dass die drei schwerwiegende Probleme mit ihren Eltern haben, jeder auf seine Art. Sie suchen Zuflucht in einer Parallelgesellschaft von Jugendlichen, deren Kultur darin besteht, gegen die Regeln der "Alten" zu verstossen und diese damit aktiv abzulehnen.
Während einer Mutprobe, die für einen der Jungen tödlich endet, lernen sich Jim, Judy und Plato 
näher kennen - sie flüchten vor den befürchteten Konsequenzen des Todesfalls und verkriechen sich in einer leerstehenden Villa, wo sie eine kurze Idylle erleben - bevor sie von der Bande des Verstorbenen aufgespürt werden. Die Revolution zerfleischt sich selbst...

Was ist über diesen Film noch nicht gesagt worden?
Wie schreibt man über ein Filmkunstwerk, das längst von der Allgemeinheit vereinnahmt worden ist?


Hier bleibt lediglich der Ansatz, ein kulturelles Heiligtum zu hinterfragen: Ist der Film wirklich so gut, ist seine Stellung in der Filmgeschichte wirklich gerechtfertigt?


Und auch hier: Die Frage erübrigt sich - respektive, sie darf getrost mit "ja" beantwortet werden. Rebel Without A Cause hält seinen Stellung als grosser Filmklassiker zu Recht. 
Und damit könnte man diese Filmkritik abschliessen. 

Doch soviel noch: Rebel... hatte grossen Einfluss auf nachfolgende, thematisch ähnlich geartete Filme; künstlerisch gehört er zum Besten, was ein Hollywoodstudio in den 50er-Jahren verlassen hatte - vom Drehbuch über die Regie bis zu den schauspielerischen Leistungen ist alles erstklassig. Und: Rebel Without A Cause packt sein Publikum von Anfang bis Ende. Es handelt sich dabei um einen jener wenigen unsterblichen ikonografischen Hollywood-Filme, die Generationen von Kinogänger kennen und schätzen, ähnlich wie Casablanca, Manche mögen's heiss oder Ben Hur. Einer jener "alten Filme", die nicht nur einem kleinen Häufchen von Retro-Fans heute noch geläufig ist.

Rebel Without A Cause, neben The Wild One mit Marlon Brando einer der ersten Filme, die sich mit der Jugendkultur befasste, ist stark gesellschaftkritisch. Er zeigt das Bild einer satten, selbstzufriedenen Elterngeneration, die den Kontakt zu ihrem Nachwuchs nicht herstellen kann, weil sie die eigene Werte aus den Augen verloren hat.
Jede der drei Hauptprotagonisten leidet an einer gestörten Beziehung zu den Eltern: Der eine Vater ist zu schwach, der zweite zu distanziert und der dritte ist glänzt durch Abwesenheit. Die geueigten Väter taugen nicht als die Vorbilder, nach welchen die jungen Menschen sich sehnen.

Das ist zwar etwas gar trivialpsychologisch und konstruiert, funktioniert im Film dank dem erzählerischem Geschick des Drehbuchautors aber bestens.

Ich war von James Deans Leistung überrascht. Massenphänomenen gegenüber bin ich kritisch eingestellt - und James Dean ist eines. Der Kerl war ein hervorragende

Schauspieler und man merkt, dass er während des Drehs improvisierte, was seinem Spiel eine erstaunliche Authentizität verleiht. Dean und Jim verschmelzen richtiggehend, und Rebel Without A Cause gilt denn auch als der James-Dean-Film.
Über die Jahrzehnte ist Deans Ruhm mit diesem Film ins Unermessliche gewachsen. Zur Zeit des Drehs hingegen war er in der Öffentlichkeit noch wenig bekannt. Sein Unfalltod kurz nach Beendigung der Dreharbeiten, der makabererweise zum Charakter passte, den er hier verkörperte, hat dies schlagartig geändert...


Rebel Without A Cause ist erstaunlicherweise hierzulande aktuell weder auf Blu-ray noch auf DVD verfügbar - antiquarisch sind einige der vergriffenen Ausgaben noch zu finden. Im Stream ist er aber bei einigen Anbietern zu finden - hier die Liste.

Donnerstag, 18. Juni 2020

Der jüngste Tag (When Worlds Collide, 1951)




When Worlds Collide (dt.: Der jüngste Tag, 1951)
Mit Richard Derr, Barbara Rush, Peter Hansen, Larry Keating, John Hoyt, Hayden Rorke, Stephen Chase, u.a.
Drehbuch: Sydney Boehm nach einem Roman von Edwin Balmer und Philip Wylie
Regie: Rudolph Maté
Musik: Leith Smith
Kamera: W. Howard Greene und John F. Seitz
Genre: Science-Fiction, Action

Studio: Paramount
Kino/TV-Auswertung im deutschsprachigen Raum: Kino-Premiere im Mai 1952
Dauer: 88 min
Farbe: color


Als ein Wissenschaftler eines Observatoriums in Südafrika verlauten lässt, dass nach seinen Berechnungen ein Planet namens Bellus und dessen Trabant Zyra auf die Erde zurasen und eine Kollision unausweichlich sei, wird er von der Fachwelt zunächst ausgelacht. Als man seine Prognose bestätigt, wird mit der finanziellen Hilfe einiger Millionäre eine riesige Rakete gebaut, welche 40 Menschen und eine Vielzahl von Tieren nach Zyra bringen soll, denn auf dem Trabanten sollen erdähnliche Bedingungen herrschen. Fieberhaft wird gebaut, während der Countdown läuft und das Ende der Welt unaufhaltsam näher rückt...

Von schlecht gealterten Filmen heisst es oft, zur Zeit ihrer Entstehung hätten sie eine ganz andere Wirkung gehabt. Was uns Heutigen an alten Science-Fiction-Filmen altbacken und handgestrickt vorkomme, hätte damals den aufregenden Geruch des Neuen gehabt.
Nachdem ich When Worlds Collide gesehen habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Film nicht bereits 1951 keinen guten Eindruck machte. Die Tricktechnik ist ja nur eine Komponente. Das Drehbuch ist eine andere - und hervorragende Drehbücher gab es damals schon. Ein schlechtes fiel gewiss auch 1951 als solches auf. 

Kritiker Bosley Crowther von der New York Times berichtete von der Filmpremiere: "[...] the drowsy audience at The Globe, where the film opened yesterday, showed slight interest. It appeared sceptical and even bored." Das Premierenpublikum wirkte skepisch und gelangweilt.

Drehbuchautor Sydney Boehm war offensichtlich mit der Aufgabe überfordert, die zahlreichen kühnen Gedanken und spannungsreichen Elemente der Vorlage unter einen
Hut zu bringen. Es waren zuviele für einen Film.
Allein die Reaktionen von Gesellschaft und Politik auf die herannahende Gefahr wäre bereits abendfüllend; das moralische Dilemma der Selektion (wer darf mit in die Rakete?) ebenfalls; die psychischen Auswirkungen des Wissens um das nahe Ende der Erde hätte einen weiteren Film ergeben. Dann sind da ja noch die Verheerungen, welche das Vorbeiziehen des Mondes auf der Erde verursacht und die Reaktionen darauf; der Wettlauf der Raketenbauer gegen die Zeit, der Aufstand der Zurückgelassenen; schliesslich das Zurechtfinden in der neuen Welt.
All diese Themen tippt Boehms Drehbuch an, zum Vertiefen bleibt aber keine Zeit. So entfaltet sich weder richtige Spannung noch kann das Gefühl echter Bedrohung aufkeimen.


Der Film konzentriert sich ab der zweiten Hälfte auf die äusserlichen, Spannung versprechenden Elemente - und wirft dabei den menschlich-gesellschaftlichen Faktor, der untrennbar mit der Thematik verbunden ist, über Bord; dies führt dazu, dass man jegliches Interesse an den Schablonen-Figuren auf der Leinwand verliert. Eine mehr als oberflächliche Charakterzeichnung der Hauptprotagonisten gibt es nicht.
Beinahe atemlos hetzt der Streifen von einem Thema zum nächsten hakt hier was ab und dort etwas. Irritierenderweise und scheinbar widersinnig werden dagegen zwei über Gebühr in die Länge gezogene Sequenzen eingeschoben, die sich im Nachhinein auch noch als überflüssig erweisen - die Rettung eines kleinen Jungen und der lange Disput der Wissenschaftler um die Zuverlässigkeit der eingangs erwähnten Katastrophen-Prognose.

Falls je ein Remake des Streifens in Erwägung gezogen wird, man müsste es als Mini-Serie konzipieren; in dieser Form könnte die Vorlage, ein Roman aus den Dreissigerjahren, das darin vorhandene Potential besser entfalten.
Allerdings müsste vorher einiger Blödsinn ausgeräumt werden, der in der Verfilmung von 1951 - im Unterschied zum Buch - vorhanden ist; etwa den Umstand, dass sich bei den den Auserwählten zwar verschiedene Tierrassen finden, bei den Menschen aber nur eine Nation und einer Rasse berücksichtigt wurde (wie lange dauert es wohl, bis sich die antirassistische Gesinnungs-Polizei auf den Film einschiesst?). Oder die Tatsache, dass keiner von den Auserwählten den auf der Erde Zurückbleibenden, dem Tode Geweihten auch nur einen Gedanken widmet, geschweige denn eine Träne nachweint. Oder dass die Erdbevölkerung richtiggehend besonnen auf ihr Ende zudämmert.
Auch die weihevolle, zaunpfahlartige Bibel-Analogie, welche die ersten Filmminuten ziert und daran erinnert, dass ursprüglich Cecil B.DeMille den Film machen wollte - sie darf auch ausgelassen werden; so begriffstutzig sind die Zuschauer auch wieder nicht, als dass sie aus der Handlung heraus nicht selbst darauf kommen würden. 


Die unbefriedigen erzähltechnischen Umsetzung ist das Eine; auf der visuellen Ebene hat When Worlds Collide mehr zu bieten. Die Bildgestaltung ist faszinierend und die satten, charakteristischen Technicolor-Farben werten diese noch auf - der Film ist eine Augenweide. 
Tricktechnisch ist er auf der Höhe der Zeit, man merkt, dass Stop-Motion-Spezialist George Pal (Kampf der Welten, Die Zeitmaschine) auf dem Produzentenstuhl sass. In diesem Bereich hat der Film denn auch einige durchaus starke Momente; die Raketenabschussrampe und der Blick auf die geflutete Stadt New York sind tricktechnisch auch aus heutiger Sich verblüffend gut gelungen.
Vor diesem Hintergrund erstaunt dann aber wieder das amateurhate Schlussbild, das Panorama, das sich den Flüchtlingen von ihrer neuen Heimat präsentiert. Es ist deutlich als simple Zeichnung zu erkennen. 


Pal musste hier einen Kompromiss eingehen: Weil das Studio Druck aufsetzte, fehlte den Machern die Zeit, den von Chesley Bonestell angefertigten Sketch in eine Miniaturlandschaft zu überführen. Das Studio wolle vom Oscar-Gewinn profitieren, der Pals Vorgängerfilm just gegen Ende des Drehs von When Wolds Collide zuteil wurde und änderte den Permierentermin des neuen Films.


Manche heben gerne hervor, When Worlds Collide sei ein Vorläufer der Katastrophen-Filme, die in den 70er-Jahren im US-Kino so populär waren. Hier wie dort stand jeweils eine Gruppe Menschen und deren Reaktionen auf eine Gefahr im Zentrum oder deren Zusammenwachsen im Angesicht der Katastrophe.
Die Katastrophenfilme der Siebzigerjahre waren gleichzeitig  ein Revival des All-Star-Films der Dreissigerjahre (wie etwa Menschen im Hotel). In When Worlds Collide fehlen die Stars gänzlich - es handelt sich gar um einen veritablen "Null-Star-Film". Die Namen der beiden Hauptdarsteller waren schon damals kaum bekannt und sind heute völlig vergessen. Unnötig, zu sagen, dass der Film schauspielerisch nicht viel zu bieten hat.

Produzent George Pal und Regisseur Rudolf Maté besassen im Unterschied zu den Darstellern durchaus einen gewissen Bekanntheitsgrad. Maté hatte als geschätzter

Kameramann einigen bekannten Filmen (von Dreyers Vampyr über Lubitschs To Be or Not To Be bis zu Orson Welles Lady from Shanghai) zu ihrem guten Aussehen verholfen, bevor er 1947 ins Regiefach wechselte.
George Pal dagegen, wie Maté Ungar, war berühmt für seine Stop-Motion-Kurzfilmserie Puppetoons, die ebenfalls bis 1947 lief, worauf Pal sich - zunächst als Produzent, später auch als Regisseur dem Langfilm zuwandte; Anfangs der 50er-Jahre produzierte er hintereinander die Science-Fiction-Streifen Destination Moon (dt.: Endstation Mond / Rakete zum Mond, 1950), When Worlds Collide und The War of the Worlds (dt.: Kampf der Welten, 1953), was von einigen als Trilogie gedeutet wird.


Der jüngste Tag erschien 2009 im deutschsprachigen Raum auf DVD - inzwischen ist die Scheibe vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.
Der Film kann aber bei verschiedenen Anbietern im Stream angeschaut werden - hier die Liste.



Michael Scheck

Freitag, 12. Juni 2020

Seh-Empfehlung 3: Wenn ich eine Million hätte (If I Had A Million, 1932)


Ein vergessener Film

If I Had A Million (dt.: Wenn ich eine Million hätte, 1932)
Mit Richard Bennett, Charlie Ruggles, Wynne Gibson, George Raft, W.C. Fields, Alison Skipworth, Charles Laughton, Gene Raymond, Gary Cooper, May Robson, Jack Oakie, Roscoe Karns, Mary Boland u.a.
Drehbuch: Joseph L. Mankiewicz, Ernst Lubitsch, Claude Binyon, Isabel Dawn u.a. nach einer Story von Robert D. Andrews
Regie: Ernst Lubitsch, Norman Taurog, Norman Z. McLeod, Stephen Roberts, James Cruze, H. Bruce Humberstone und William A.Seiter

Genre: Komödie, Drama
Studio: Paramount
Kino/TV-Auswertung im deutschsprachigen Raum: Kinopremiere im Oktober 1933
Dauer: 88 min
Farbe: s/w

Als der MGM-All-Star-Film Grand Hotel im September des Jahre 1932 Premiere hatte, arbeitete man in den anderen Studios bereits fieberhaft an ähnlichen Projekten. Man wollte MGM schliesslich in nichts nachstehen.
Irving Thalberg hatte die Idee, mit Grand Hotel erstmals einen Film mit einem Grossaufgebot von fünf Stars zu wagen - statt der bis dahin üblichen zwei. Im von der Depression gebeutelten Amerika der Dreissigerjahre war das ein Risiko, das sich an der Kinokasse allerdings auszahlte: Grand Hotel wurde ein Hit. Thalberg legte im Folgejahr bei MGM sogleich mit Dinner at Eight nach, und auch die anderen Studios zogen mit - Universal etwa mit The Old Dark House (1932) oder
Paramount mit The Big Broadcast und If I Had A Million (beide ebenfalls 1932).
Der letztere, ein Episodenfilm, wies zudem ein originelles Konzept auf, das zwar damals nicht neu war, das aber Arbeitsteilung ermöglichte und dadurch höchst effizient war; das heisst, es konnte die Kinokassen schneller erreichen als ein Spielfilm mit durchgehender Handlung.


Der Film besteht aus acht Episoden und einer Rahmenhandlung. Fast jede Episode hatte einen anderen Regisseur (zwei Regisseure übernahmen jeweils zwei statt nur eine Epiosode) und einen anderen Stab an Mitarbeitern und Schauspielern. So konnten die Episoden simultan vorbereitet und kurz hintereinander abgedreht werden, was gegenüber einem herkömmlichen Spielfilm weniger Zeit in Anspruch nahm. Auf diese Weise konnte man schnell auf den Grand Hotel-Erfolgszug aufspringen.
Dass der Film dabei nicht zur beliebigen Nummernrevue geriet, dafür sorgte das bereits erwähnte originelle Konzept. Und möglicherweise Ernst Lubitsch, dem die Gesamtleitung des Projektes übertragen wurde.


In der von Norman Taurog inszenierten Rahmenhandlung wartet die Finanzwelt auf den
nahen Tod des Stahlmagnaten John Glidden (Richard Bennett), der allerdings nicht daran
Richard Bennett und May Robson (sitzend)
denkt, den Löffel abzugeben. Dazu gedrängt, ein Testament aufzusetzen, verfällt der springlebendige Glidden der Idee, wildfremden Leuten je eine Million zu schenken - lieber, als das Geld seinen raffgiereigen Verwandten zu überlassen. Ein Telefonbuch und eine Pipette helfen ihm, die Glücklichen nach dem Zufallsprinzip zu ermitteln.
Die Episoden des Films erzählen sodann von den Reaktionen von acht dieser wildfremden Leute; alle sind verbunden durch die Figur des Stahlmagnaten, der meist zu Beginn jeder Folge einen kurzen Auftritt als Wohltäter hat.


Die Glückspilze sind: ein tollpatschiger Verkäufer in einem Porzellangeschäft (Charlie Ruggles), eine Prostituierte (Wynne Gibson), ein Fälscher (George Raft), ein abgehalfterter Vaudeville-Star und dessen Gattin (W.C. Fields und Alison Skipworth), ein Buchhalter (Charles Laughton), ein zum Tod Verurteilter (Gene Raymond), ein Marinesoldat (Gary Cooper) und eine im Altenheim lebende Dame (May Robson).

Die meisten Episoden und auch die Rahmenhandlung sind komödiantischer Natur, die Geschichten um den Fälscher und jene um den Todeskandidaten jedoch sind dramatisch.
Letztere fällt gleich mehrfach aus dem Rahmen. Erstens, weil sie als einzige der Episoden, missraten ist: Gene Raymond ist grauenhaft schlecht als Todeskandidat, der zwischen Freude, Hoffnung und Horror hin- und hergerissen ist. Die Rolle ist allerdings undankbar, denn sie ist praktisch unspielbar. Zu allem Unglück wird Raymonds von Gefühlsausbrüchen verzerrtes Gesicht ständig in Grossaufnahme gezeigt. Weil er dabei auch noch bis zur Hysterie aufdreht, wirkt sein Spiel lächerlich. Unbegreiflich, dass der Regisseur seinen Darsteller nicht zu weniger Exaltiertheit ermahnte, ihn dagegen ständig in Grossaufnahme vorführte.
An dieser Episode wird deutlich, wie nah die Stummfilmzeit damals noch war: Was Raymond hier abliefert, entstammt der pantomimischen Schauspielschule des Stummfilms; auch Regisseur James Cruze, einst selbst Schauspieler, hatte das Regiehandwerk im Stummfilm gelernt.
Zweitens ist "Death Cell" die einzige Episode, welche eine überschwängliche Reaktion eines Beschenkten auf den Scheck zeigt.
In den anderen Teilen wird deren Reaktion entweder einfach ausgespart oder sie fällt nüchtern aus.
Charles Laugton etwa zeigt als Buchhalter äusserlich gar keine Reaktion, ausser, dass er sich von seinem Arbeitsplatz erhebt und sich gemächlich auf den Weg zur Chefetage macht. Gary Cooper als Marinesoldat nimmt die Geste des Millionärs schon gar nicht ernst und W.C. Fields und
Alison Skipworth reagieren, als wäre das Geschenk etwas völlig Alltägliches.
Die Drehbuchautoren aller anderen Episoden waren sich der einen heiklen Stelle des Werkes bewusst. Einzig der (unbekannte) Autor der Todeszellen-Sequenz ist in die Falle getappt, respektive hatte seine Geschichte in eine Ecke geschrieben, aus der weder der Regisseur noch der Hauptdarsteller herausfinden konnten.

Die Autoren sämtlicher anderen Episoden beweisen in hohem Mass Talent, Witz und Originalität, ihre Vignetten besitzen samt und sonders grossen Unterhaltungswert und erweisen sich als sehr amüsant.
Es gibt zwei weitere Episoden, auf die hier näher eingegangen werden soll: "The Clerk" von Ernst Lubitsch und "Violet" von Stephen Roberts / Joseph L. Mankiewicz.

"The Clerk" ist gerade im direkten Vergleich mit den Segmenten der anderen Regisseure/Autoren interessant, denn der Vergleich birgt ein Lehrstück über den Unterschied zwischen
Charles Laughton in "The Clerk"
gutem und meisterhaftem fimischem Erzählen.
Lubitsch, der "The Clerk" im Alleingang konzipiert hat, braucht zwei Minuten, um zu erzählen, wofür andere Regisseure oder Autoren üblicherweise mehr Zeit und vor allem mehr Worte verwenden.

Lubitsch schafft das Kunststück, den Chef des Buchhalters mittels eines Treppenhauses und drei unterschiedlich beschrifteter Türen in ein paar wenigen Einstellungen zu charakterisieren - bevor man diesen überhaupt zu Gesicht bekommt! Wenn er dann kurz ins Bild kommt, dient der Anblick nur der Bestätigung.
Ein Gang durchs Treppenhaus, drei Türen, ein kurzer Blick auf den Chef - und einer der schönsten  Gags der Filmgeschichte zündet.
"The Clerk" ist ein Meisterwerk cinématografischer Ökonomie!


Die andere herausragende Episode ist "Violet", von Joseph L. Mankiewicz ("All About Eve") geschieben. Sie funktioniert ähnlich: In zwei Minuten ist die Geschichte erzählt, die Hauptfigur umrissen, die Pointe platziert. Hier wird Violet, eine Prostituierte (Wynne Gibson) von Millionär Glidden in der Abstiege aufgesucht, in der sie arbeitet. Das Millieu bildet einen krassen Gegensatz zu dem Luxushotel, in das sie nach dem Geldgeschenk einzieht - und kommt die Sache mit dem Kissen; hier ist es wieder ein banaler Gegenstand, der dem Autor dazu dient, ein scharfes Schlaglicht auf ein Leben zu werfen. Auch dieses Geschehen kommt ohne Worte aus.

Diese beiden Episoden bilden die Höhepunkte des Films - was den Wert der anderen aber
nicht schmälert. Sie sind - mit Ausnahme von "Death Cell" - liebevoll gearbeitete Kurzfilm-Kleinode, die wunderbar unterhalten und ein überraschend rundes Ganzes ergeben.
If I Had A Million ist ein zu Unrecht vergessener Film, der grosses Vergnügen bereitet und der definitiv einen Blick wert ist!
Alison Skipworth und W.C. Fields

Der Film ist hierzulande weder auf Blu-ray noch auf DVD erhältlich.
Auch in den USA oder in England ist er unauffindbar - offenbar blockiert dort ein Rechtsstreit die längst fällige Herausgabe.
In Frankreich allerdings wird man fündig: Dort ist If I Had A Million in einer Doppel-Edition (Blu-ray + DVD) in hervorragender Bild- und Tonqualität von Elephant Films erhältlich. Auch eine "nur DVD"-Ausgabe ist in Frankreich erhältlich. Beide Editionen mit englischem Originalton und französischen Untertiteln.


Michael Scheck

Mittwoch, 10. Juni 2020

Dieses Mädchen ist für alle (This Property is Condemned, 1966)


This Property is Condemned (dt.: Dieses Mädchen ist für alle / Traumstation, 1966)
Mit Natalie Wood, Robert Redford, Mary Badham, Kate Reid, Charles Bronson, John Harding, Alan Baxter u.a.
Drehbuch: Francis Ford Coppola, Fred Coe und Edith Sommer nach einem Einakter von Tennessee Williams
Regie: Sydney Pollack
Genres: Drama, Romanze
Studio: Paramount

Kino/TV-Auswertung im deutschsprachigen Raum: Kino-Premiere im Oktober 1966
Dauer: 110 min
Farbe: color
Ein seltsames Mädchen in einem viel zu grossen roten Kleid und einer verdreckten Puppe balanciert zu Beginn des Films über stillgelegte Geleise. Dort trifft auf einen Jungen mit einem Papierdrachen, dem sie ihre Geschichte erzählt. In einer langen Rückblende erleben wir die Geschichte von Willies Familie, die im Kaff Dodson eine Pension am Rande der Bahnlinie besitzt. Es ist die Zeit der Grossen Depression, und man muss sehen, wie man über die Runden kommt. Der Vater ist längst verschwunden und Mutter Hazel (Kate Reid) bietet ihren Gästen eine Art Escort-Service an, ein "kleines Extra", das aus ihrer Tochter Alva (Natalie Wood) besteht. Als der junge Bahnangestellte Owen Legate (Robert Redford) sich im Mama Hazels Pension einmietet, sieht Alva ihre Chance, mit dessen Hilfe dem elenden Leben in Dodson endlich zu entfliehen.
Legate seinerseits hat den schwierigen Auftrag, im Namen der Bahnlinie in Dodson Leute zu entlassen...


Eine Geschichte von Elend und Unglück - This Property is Condemned war die zweite Regiearbeit Sydney Pollacks (Tootsie, Out of Africa). Wie Pollacks bekannteres, zwei Jahre später entstandenes Werk They Shoot Horses, Don't They? (dt.: Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss) portraitiert auch This Property... ein trostloses Amerika während der Depressionszeit Anfangs der Dreissigerjahre. 
Das gelingt ihm und seinen Drehbuchautoren (u.a. Francis Ford Coppola) so gut, dass der Film selbst trostlos und zur grossen Depression gerät.

Die Autoren liessen sich von einem Einakter aus der Feder Tennessee Williams' zu dem Film inspirieren; somit ist klar, dass er in den Südstaaten der USA spielt. Er trägt denselben
Tennessee Williams
Titel wie das Bühnenwerk - obwohl dieses gänzlich anders aufgebaut ist.
Die Vorlage ist ein Zweipersonenstück und dauert 30 Minuten.
In den meisten Besprechungen, die ich über diesen Film gelesen habe, wird fraglos davon ausgegangen, dass Tennessee Williams dessen Haupt-Urheber sei. Das ist ein Irrtum, wir haben es hier mit einem regelrechten Williams-Fake zu tun!
Vom berühmten Dramatiker stammt nur gerade die Rahmenhandlung des Films, der Rest ist in erster Linie Coppola, unter Mithilfe von Coe & Sommer - und offenbar weiteren, im Titelvorspann nicht erwähnten Autoren. Im Stück ist Alvas Schwester Willie, die zu Beginn des Filmes auf den Geleisen balanciert, die Hauptfigur; der Junge mit dem Papierdrachen ist der andere Protagonist.

Während im Einakter die ganze Tragödie nur erzählt wird, baut der Film diese dramaturgisch aus - als wär's ein Stück von Williams.
Coppola sagte letztes Jahr in einem Interview:
"When I was young, I wanted to be Tennessee Williams or Elia Kazan [...] Even as hard as I tried to steal from Tennessee Williams, it came out some other way." ("In jungen Jahren wollte ich Tennessee Williams sein oder Elia Kazan [...] Sosehr ich von Tennessee Williams auch zu stehlen versuchte, es kam etwas anderes heraus."
.
Das Drehbuch imitiert Tennessee Williams auf den ersten Blick allerdings verblüffend gut: Die illusionsgeschwängerten Dialoge der verlorenen Figuren, deren verzweifelten Versuche, das Elend wegzulächeln sind vorhanden und lassen Uneingeweihte glauben, hier werde ein unbekanntes, abendfüllendes Stück des Dramatikers umgesetzt.

Sämtliche Hauptdarsteller glänzen in ihren Rollen. Würde es sich hier tatsächlich um ein Theaterstück handeln, spräche man von einer gelungenen Ensembleleistung; keiner fällt ab, die Truppe scheint aufeinander eingespielt und legt eine runde Gesamtleistung hin.
Pollacks Regie verfährt sehr solide, findet ab und poetischen Bilder und führt die Schauspielerinnen und Schauspieler subtil. Die meiste Zeit verlässt er sich auf die Wirkung des Drehbuches.


Trotz der ausdrücklichen Vorzüge hinterlässt This Property... einen schalen Nachgeschmack. "Zuviel des Guten" ist wohl der passende Ausdruck für das Malaise. Es wirkt, als hätte Coppola das gesamte Werk des Dramatikers mit all seinen Familientragödien, monstösen Elternfiguren, Gehässigkeiten, krankhaften Gemütern und lebensuntauglichen Charakteren in einem einzigen Drehbuch kondensieren wollen. Herausgekommen ist dabei eine Säure, die in dieser Konzentration kaum mehr geniessbar ist.

Williams selbst übrigens war entsetzt darüber, was aus seinem Stück gemacht worden war und wollte seinen Namen aus den Credits getilgt wissen. Das konnte er zwar nicht erreichen, doch immerhin: Statt "based on a play by..." steht nun in den Anfangstiteln "suggested by a play by Tennessee Williams".
Vielleicht ist der Film wegen seiner bleiernen Schwere aus dem cinèastischen Bewusstsein der Nachwelt verschwunden. Er kam bei Publikum und Kritikern damals nicht gut an. Natalie Wood, die sich nach einer Serie von Misserfolgen von diesem Prestigeprojekt einen Karriere-Aufschwung erhofft hatte, zog sich, nach einem Selbstmordversuch, temporär aus dem Filmbusiness zurück.


Der originale US-Filmtitel This Property is Condemned ist übrigens doppeldeutig; sinngemäss bedeutet er "Dieses Anwesen wird abgerissen" oder "...ist zum Abbruch freigegeben". Damit ist die Pension in der Rahmenhandlung gemeint, an der ein entsprechendes Schild prangt.
"Property" kann aber auch "Eigentum, Objekt" heissen, und "condemned" kann mit "verurteilt" übersetzt werden. So kann der Titel auch auf die Hauptfigur, Alva bezogen werden, die im Film von der Mutter wie ein Objekt oder einen Besitz behandelt wird.


Weitere bekannte US-Filme aus dem Jahr 1966:
- Who's Afraid of Virginia Woolf? (dt.: Wer hat Angst vor Virginia Woolf; Mike Nichols)
- The Fortune Cookie (dt.: Der Glückspilz; Billy Wilder)
- Seconds (dt.: Der Mann, der zweimal lebte; John Frankenheimer)
- El Dorado (Howard Hawks)

- Fantastic Voyage (dt.: Die phantastische Reise; Richard Fleischer)
- How to Steal A Million (dt.: Wie klaut man eine Million; William Wyler)


Dieses Mädchen ist für alle erschien auch in Deutschland auf DVD; diese ist inzwischen vergriffen und ist nur noch antiquarisch erhältlich.
Der Film kann hierzulande aber im Stream noch angeschaut werden - hier ist eine Liste der Anbieter.


Michael Scheck

Freitag, 5. Juni 2020

Was der Himmel erlaubt (All that Heaven Allows, 1955)


All that Heaven Allows (dt.: Was der Himmel erlaubt, 1955)
Mit Jane Wyman, Rock Hudson, Agnes Moorehead, Gloria Talbott, William Reynolds, Conrad Nagel, Charles Drake, Hayden Rorke u.a.
Drehbuch: Peggy Thompson nach einer Story von Harry und Edna L.Lee
Regie: Douglas Sirk
Genres: Drama, Romanze
Studio: Universal
 
Kino/TV-Auswertung im deutschsprachigen Raum: Kino-Premiere im Juni 1956
Dauer: 89 min
Farbe: color

Die Witwe Cary Scott (Jane Wyman) lebt nach dem Tod des Ehemannes mit ihren inzwischen erwachsenen Kindern in ihrem grossen Haus in einer typischen amerikanischen Kleinstadt New Englands. Das Leben nimmt seinen Lauf, sie ist eingebettet in den Kreis ihrer reichen Freunde, nimmt - stellvertretend für ihren verstorbenen Mann - an deren Partys teil, wo sie von heiratswilligen älteren Freunden ihres Gatten Anträge gemacht bekommt. Sie lehnt diese stets mit der Begründung ab, noch nicht so weit zu sein. Als es aber plötzlich doch funkt, ist es der Gärtner Ron Kirby (Rock Hudson), der ihre Gunst erlangt. Und das nimmt man Cary übel - denn der Typ gehört nicht derselben Gesellschaftsschicht an und ist zudem viel jünger als die Witwe.
Der "Freundeskreis" entpuppt sich ob dieser Ungeheuerlichkeit endgültig als der Tratsch- und Giftspritzenklub, der er unterschweillig immer war, Cary wird gnadenlos durchgehechelt, gedemütigt und aus dem erlauchten Kreis ausgestossen. Doch auch ihre Kinder wenden sich gegen sie und ihren Ausbruchsversuch aus der Gutbürgerlichkeit.


Viel ist gerühmt und besungen worden, wie bissig der Regisseur die Welt der konservativen reichen Kleinstädter seiner Zeit in diesem Film attackiere, wie gnadenlos er dessen Ignoranz und Doppelmoral aufzeige.
Doch Moment: Nur der Regisseur? Es gab zu diesem Film ein Drehbuch von Peggy Thompson, diesem ist Douglas Sirk gefolgt. Die "Attacke", die Kritik an der amerikanischen Gesellschaft stand da bereits drin.
Das Projekt hatte er sich auch nicht selbst ausgesucht - es wurde ihm vom Produzenten Ross Hunter zugetragen - aufgrund des grossen Erfolges eines anderen Sirk-Hudson-Wyman-Erfolges (Magnificent Obsession, 1954), dieser sollte möglichst wiederholt werden.


Die Problematik, sämtliche Meriten eines Films allein dem Regisseur zuzuschreiben, kam in den Sechziger- und Siebzigerjahren auf, als von den Filmjournalisten beliebte Regisseure als "auteurs" bezeichnet wurden; in vielen Fällen entpuppte sich dies als Irrtum - trotzdem hält sich diese Vorstellung noch immer hartnäckig. Sie kehrt die Leistungen anderer Beteiligter allerdings unter den Teppich. Man sollte in Fällen wie diesem schon unterscheiden und den Regisseur von der Vorlage trennen. Natürlich gibt des die Regisseur-Autoren auch, doch sie waren im US-Kino jener Jahre in der Minderzahl.

Sirk kam die Vorlage der Autorin Peggy Thompson entgegen und er verstärkte die dem Skript immanente Kritik durch
Sirk (sitzend) mit dem Cast des Films
seine Inszenierung. Er fand aussagekräftige Bilder, wie das vom Fernseher, der Cary als Beziehungsersatz in die gute Stube gestellt wird und in dem ihr Spiegelbild zur Leblosigkeit erstarrt.
An anderen Stellen betont er die Gefangenschaft Carys in der rigiden Norm ihrer Gesellschaftsschicht durch buchstäbliches "einmauern" ihrer Gestalt hinter irgendwelchem schattenhaften Gitterwerk. In einer Stelle trägt sie eine Kopfbedeckung, die an eine Dornenkrone erinnert, just bevor deutlich wird, dass sie von den anderen zum Wohle der Gesellschaft "geopfert" werden soll.
Die Beispiele liessen sich fortsetzen, der Film ist mit Symbolik geradezu aufgeladen.
Sirk übt Kritik, es ist nicht seine Kritik, aber er eignet sie sich an, indem er sie übers Bild verstärkt und kommentiert. Seine Kunst liegt in der Inszenierung, in der Regieführung, er ist bedingt der "auteur", als den ihn seine Vereher (zu denen Rainer Werner Fassbinder ebenso gehört wie Pedro Alomodovar) gern sehen wollen. In der Regie zeigt er eine ganz eigene Handschrift. Die Bildkompositionen und vor allem die Farbdramaturgie und die farblich ungewöhliche Ausleuchtung der Räume, die er für diesen Film entwickelt hat, war stilbildend und hat andere Regisseure (hier müssen wieder Fassbinder und Almovodar erwähnt werden) zur Nachahmung und Weiterentwicklung animiert.
Hier als Beispiel ein kurzer Ausschnitt aus dem Film:


Damit steht Sirk im Widerspruch zu seinem früheren Kompagnon Billy Wilder, der einmal sinngemäss sagte, das Wichtigste an einem Film sei das Drehbuch; künstlerisch ausgeklügelte Bilder würden den Zuschauer nur vom Wesentlichen ablenken.
In der Regel schliesse ich mich dieser Sichtweise an, weiss aber eine gute Inszenierung durchaus zu schätzen.

Und damit kommen wir zum Drehbuch. So durchdacht, spannend und künstlerisch wertvoll Sirks Inszenierung ist, das Drehbuch kann mit diesem Niveau nicht Schritt halten. Scharfsichtige Gesellschaftskritik ist das eine, die Befähigung zu schreiben, etwas anderes.
Gegen Ende hin machen sich einige dramaturgische Schwachstellen deutlich bemerkbar, welche die Freude am Film eintrüben. Der Rückzug Carys aus der Beziehung mit Ron etwa ist wenig glaubwürdig; sie begründet ihn zwar mit der Angst vor dem Beziehungsverlust zu ihren Kindern, doch diese benehmen sich den ganzen Film über derart widerwärtig

egoistisch und sind zudem dem Nest schon soweit entschlüpft, dass diese Wendung eher der damaligen Hollywood-Konvention geschuldet erscheint als einem glaubwürdigen Erzählstrang. Das Dilemma löst sich dann auf fast ebenso unglaubwürdige Weise plötzlich wieder auf, als die Kinder ihre Auszugspläne aktiv in Angriff zu nehmen beginnen. 
Cary kehrt noch zweifelnd zu Ron zurück, kehrt abrupt wieder um, als sie diesen bei sich zu Hause nicht antrifft, er stürzt über einen Felsen, schwebt ein wenig zwischen Leben und Tod, was sie dann endgültig überzeugt, zu ihm zurückzukehren. Ein Ende wie von einem Filmschüler geschrieben. 

In einem wirklich grossen Film sind neben der Regie auch das Drehbuch und die schauspielerischen Leistungen erstklassig. Das kann man hier leider nicht behaupten. Das Drehbuch ist - von den eben erwähnten Schwächen abgesehen - bestenfalls solide (herausragende Dialogpassagen und erzählerische Raffinesse etwa sucht man vergebens), und auch von den die schauspielerischen Leistungen lässt sich nichts anderes sagen.
Sirk wäre wohl der ideale Regisseur für eine Hollywood-Verfilmung eines Tennessee-Williams-Stoffs gewesen. Da hätte er eine Vorlage gehabt, die auf literarischer Ebene seinen Qualitäten als Regisseur entsprochen hätte. Zudem hätte sein Stil perfekt zur Zerissenheit der williams'schen Welt gepasst.
Erst Jahre später, zurück in Deutschland, verfilmte Sirk, zusammen mit Studenten der Filmschule München, dann tatsächlich zwei Einakter des amerikanischen Dramatikers: Talk to me Like the Rain (1974) und Burbon Street Blues (1978). In letzterem wirkte Rainer Werner Fassbinder als Schauspieler mit.


Sirk, der immer wieder als Meister des Melodramas appostrophiert wird, betonte, das Melodrama sei jenes Genre, in welchem sich Gesellschaftskritik am besten verwirklichen lasse. Allerdings verwässert gerade das Melodrama Kritik oft durch die Konzentration auf Gefühle und Gefühligkeit. Diese Attribute werden von Kritikern gerne als verlogen gebrandmarkt.
Doch obwohl auch Sirk diesbezüglich kräftig auf die Tube drückt (Einsatz schwülstiger Orchestermusik und Kunstschnee-Naturbilder mit herzigem Rehlein), hier gilt das Kritiker-Verdikt ulkigerweise nicht. Ist es etwas anderes, wenn gleichzeitig das Establishment kritisiert wird? Ich wüsste nicht, weshalb. Kitsch ist Kitsch.


All that Heaven Allows ist auch bei uns auf Blu-ray und DVD zu haben (Sprachen: Deutsch & Englisch, entsprechende Untertitel) mit sehr guter Bild- und Tonqualität.
Extras:
Trailer / Audiokommentar mit Filmwissenschaftler Dr. Werner Kamp & Christian Bartsch / Booklet von Michael Scholten / isolierte Tonspur mit Soundeffekten und der Filmmusik von Frank Skinner.

Michael Scheck

Montag, 1. Juni 2020

The Devil to Pay (1930)


Eine vergessene Filmkomödie  

The Devil to Pay (USA 1930)
Mit Ronald Colman, Loretta Young, Frederick Kerr, David Torrence, Myrna Loy, Florence Britton, Paul Cavanagh u.a.
Drehbuch: Frederick Lonsdale und Benjamin Glazer
Regie: George Fitzmaurice
Genre: Komödie
Studio: The Samuel Goldwyn Company
Kino/TV-Auswertung im deutschsprachigen Raum: keine
Dauer: 72 min
Farbe: s/w

Willie Hale (Ronald Colman), ein charmanter Lebemann aus reichem Londoner Hause, ist das schwarze Schaf der Familie. Dank seinem Charme und seinen kommunikativen Fähigkeiten gelingt es ihm nach jedem Fehltritt, alle Geschädigten wieder zu besänftigen - inklusive des unnachgiebigen Familienpatriarchen (Frederick Kerr).
Als er die bezaubernde Dorothy Hope (Loretta Young) kennenlernt und sich verliebt, nimmt sein Leben plötzlich eine irritierende Wendung: Es geht in Richtung Momogamie...


Das Interessante an diesem Film ist nicht die Handlung; so oder ähnlich verlaufen viele romatische Komödien. Obwohl das Drehbuch mit geschliffenen Dialogperlen glänzt, obwohl die gesamte Schauspieltruppe ihre Sache ausnahmslos hervorragend macht, stehen auch sie nicht im Zentrum des Interesses. Wohl ist der Film höchst amüsant und von Anfang bis Ende unterhaltsam, von grosser Bedeutung ist er aber nicht.

Das Interessanteste an The Devil to Pay ist die Handhabung der damals noch in den Kinderschuhen steckenden Tontechnik. 

Wer Filme aus jener chaotischen Periode kennt, weiss, wie unglaublich statisch und gleichzeitig geschwätzig sie sein konnten.
Dies war dem Umstand geschuldet, dass die klobigen Mikrophone praktisch unbeweglich waren und irgendwo direkt vor den Akteuren aufgebaut werden mussten, dies
aber
möglichst versteckt. Was dazu führte, dass die Schauspieler - im Gegensatz zum Stummfilm - plötzlich nur noch wenig Bewegungsfreiheit hatten. Das Bild gefror zu Beginn der Tonfilmaera zum statischen Tableau. Und der Wunsch des Publikums nach dem gesprochenen Wort führte zu unglaublicher Geschwätzigkeit. Erschwerend kam hinzu, dass die Kameras in schalldichte Kabinen verpackt wurden, damit ihr Gesurre auf der Tonspur nicht zu hören war.Auch von dieser Seite war also kaum Bewegung möglich.
Ambitioniertere Regisseure versuchten, gegen die Statik, die der Stummfilm übrigens kurz zuvor mit einigen signifikanten technischen Verbesserung überwunden hatte, anzukämpfen, und wenn man sich diesen Film anschaut, kommt man zum überraschenden Schluss, dass der heute kaum mehr bekannte George Fitzmaurice zu diesen gehört haben musste. 

The Devil to Pay wirkt moderner als viele der Lichtspiele aus demselben Jahr. Es gibt Kamerafahrten, Uebergänge von drinnen nach draussen und es gibt sogar Begleitmusik. Man könnte glauben, der Film sei 1935 entstanden, wären da nicht einige Irritationen, die aber samt und sonders mit der noch unausgereiften Tonqualität zu tun haben. So werden etwa die Dialoge immer, wenn Begleitmusik zu hören ist, fast unverständlich. Die frühe Tontechnik konnte die Gleichzeitigkeit zweier verschiedener Tonquellen noch nicht bewältigen, weshalb man in den meisen Streifen jener Zeit einfach die Musik wegliess. Es wurde aber experimentiert und so dauerte es nicht lange, bis eine Lösung gefunden war. Es gibt eine Sequenz, in welcher die Hauptprotagonisten im offenen Cabriolet durch eine stark befahrene Strasse holpern und singen. Der Gesang klingt unnatürlich hohl, weil er offensichtlich über den Verkehrslärm drübersynchronisiert wurde. Die Abmischung beider Tonquellen dürfte für die damalige Zeit ein deutlicher Fortschritt gewesen sein - aus heutiger Sicht wirkt die Sequenz eher dürftig.
Das Bestreben, die Statik zu vermeiden, die mit Aufkommen des Tons plötzlich im Film Einzug hielt, ist in The Devil to Pay deutlich zu spüren, ebenso die Kompromisse, die auf verschiedenen Ebenen gemacht werden mussten, um dieses Ziel zu erreichen. Und doch ist die Tonqualität, bis auf die erwähnten Ausnahmen, im Durchschnitt deutlich besser als in anderen "Talkies" jener Zeit, gerade in den bewegten Sequenzen.


Regisseur Fitzmaurice hatte immerhin zwei heute durchaus noch bekannte Filme auf seinem Konto. Zum einen den Stummfilm Son of the Sheik mit Rudolf Valentino (1926), zum anderen den Garbo-Klassiker Mata Hari (1931) - ganz so unbekannt wie ich zuerst dachte, ist er also nicht. Immerhin hatte er zwischen 1914 und 1940 über 80 Filme gedreht. Die meisten davon sind heute vergessen oder nur noch den eingefleischen Fans des alten Hollywood bekannt. The Devil to Pay ist somit eine kleine Entdeckung, die ein Schlaglicht auf einen Regisseur wirft, der gemeinhin unter dem Radar der Filmhistorie bleibt. Dass er der Wiederbelebung der damals kurzzeitig in Vergessenheit geratenen cinèmatografischen Errungenschaften des Stummfilms Vorschub leistete, dürfte nicht bekannt sein - und lässt ihn in keinen schlechten Licht erscheinen.


Zu dieser Thematik (frühe Tonfilme) werde ich mir demnächst auch Ernst Lubitschs ein Jahr vorher entstandenes Musical The Love Parade vornehmen. Bin mal gespannt, wie Lubitsch die Ton-Probleme gemeistert hatte...


The Devil to Pay ist dank der witzig-prickelnden Dialoge des britischen Theaterautors Frederick Lonsdale (der hiermit sein erstes Drehbuch verfasste) ein Film geworden, der bereits die Screwball-Komödien der mittleren Dreissigerjahre ankündigt. Interessant ist zudem, dass er in England spielt und die männlichen Rollen alle mit britischen Schauspielern besetzt sind - während die drei Hauptdarstellerinnen aus den USA stammten. So wirkt der Film tatsächlich wie eine importierte britische Gesellschaftskomödie.
Zur Frühzeit des Kinos (vom Stummfilm bis etwa zur Mitte der Dreissigerjahre) war es nichts Aussergewöhnliches, wenn ein amerikanischer Film in einen anderen Land spielte: Ob Deutschland, Russland, Frankreich, China oder England - es gab im Filmgeschäft Hollywoods genügend Immigranten aus jenen Ländern, die zumindest hinsichtlich des nationalen Kolorits für eine gewisse Authentizität sorgen konnten. Später konzentrierte sich das US-Kino dann stärker auf amerikanische Themen, möglicheweise aus Renditegründen.

Ohne die erwähnten Tonprobleme liesse sich The Devil to Pay als entspanntes Lust-Spiel durchaus noch heute geniessen. So ist er immerhin noch für filmhistorisch Interessierte von Belang. Trotz seiner geringen Bekanntheit ist er auf einer DVD zu haben, genauer: einer DVD-R (manufactured on demand) der Warner Archive Collection. Regionalcode 0.
Die Bild- und Tonqualität sind ganz gut, aber die Vorlage war wohl ein 35mm- oder gar 16mm-Dupe. Was Angesichts der sonst sehr guten Bildqualität der Warner Archive-DVDs zur Vermutung führt, dass keine Originalkopie des Films mehr auffindbar war.


Michael Scheck

Laurel und Hardy: Der grosse Knall (The Big Noise, 1944)

Mit Stan Laurel, Oliver Hardy, Arthur Space , Doris Merrick, Veda Ann Borg u.a. Regie: Malcolm St.Clair Gestern hatte ich mal wieder Lust au...