Originaltitel: The Stranger
Mit Orson Welles, Edward G. Robinson, Loretta Young, Philip Merivale, Konstantin Shayne, Richard Long u.a.
Drehbuch: Anthony Veiller
Regie: Orson Welles
Premiere im deutschsprachigen Raum: 1977
Handlung:
Der KZ-Mörder Franz Kindler (Orson Welles) ist nach dem Zusammenbruch
Nazi-Deutschlands in einer US-Kleinstadt untergetaucht und hat dort die
Identität des harmlosen Historikers Charles Rankin angenommen. Am Vorabend seiner Hochzeit mit Mary Longstreet (Loretta Young) kommen zwei Männer in die Stadt: Konrad Meinike, ein ehemaliger Kollege Kindlers und der Nazi-Jäger Wilson (Edward G. Robinson). Der ehemals inhaftierte Meinike wurde von Wilson freigelassen, damit er ihn zu Kindler führe. Doch Kindler/Rankin ist schlau genug, Wilsons Spiel zu durchschauen: Er ermordert und verscharrt seinen Ex-Kollegen in einem Wäldchen, bevor dieser den Nazi-Jäger auf seine Spur bringen kann. In dem idyllischen Kleinstädtchen beginnt ein tödliches Katz- und Mausspiel...
Orson Welles vierter langer Spielfilm ist zwar monströs und bisweilen lächerlich, trotzdem fasziniert The Stranger in mehrfacher Hinsicht.
Der Anfang, der die Hauptfiguren und ihre Motivationen etabliert und der zeigt, wie Detective Wilson den gefangenen Nazi-Kumpel Kindlers freilässt, wurde vom Produzenten leider weggekürzt. Das Filmmaterial gilt als verloren. So wirkt der Filmbeginn wie ein leicht wirrer Torso, der bis heute nicht restauriert werden konnte.
Erst als die Filmhandlung in der Kleinstadt Norman ankommt, wird die Narration einigermassen schlüssig.
Interessant ist Welles Inszenierung des film-noir-ähnlichen Stoffes: Er verwendet die im Film-Noir damals gängige, an den Expressionalismus angelehnte Bildsprache und treibt diese in die Extreme, so dass The Stranger bisweilen wie eine Parodie auf dieses Genre wirkt. Die überzogene Inszenierung korreliert dergestalt mit der leicht überkandidelten und daher kaum glaubhaften Geschichte (Massenmörder tarnt sich in einer harmlosen US-Kleinstadt als braver Lehrer - und nicht mal seine Braut schöpft Verdacht), dass der Streifen bisweilen monströse, oder manische Züge aufweist.
Er schafft aber damit auch eine unwirkliche Stimmung, deren innerer Spannung man sich nur schwer entziehen kann.
Ein faszinierender, aus der Produktion des damaligen Hollywood herausragender Film, der den schwachen Plot Kraft seiner Inszenierung in etwas transzendiert, das sämtliche Genres und Konventionen sprengt. Ob das gut oder schlecht ist, möge jeder für sich entscheiden.
Der vollständige Film (oder das, was nach den Kürzungen durch das Studio noch davon übrig ist) kann in HD-Qualität bei youtube angeschaut werden (englischsprachige Originalversion mit deutschen Untertiteln):