Samstag, 18. Januar 2025

Juror #2 (2024)

 

Clint Eastwood ist mittlerweile 94 Jahre alt. Dies ist sein neuster Film.

Es ist kaum zu glauben, aber Eastwood hat nichts von seinem Biss und seiner Fähigkeit, ein nervenzerrendes Drama adäquat zu inszenieren, eingebüsst.
"Juror #2" ist ein Gerichtsdrama, eine Art "12 Angry Men with a twist", mit eastwood'scher Ruhe inszeniert, aber unglaublich aufwühlend. Dabei treibt er seinen Hauptdarsteller (Nicholas Hoult) zur Höchstleistung - selten habe ich im aktuellen Kino einen derart zerrissenen Helden gesehen.

Zum Inhalt sollte nicht zuviel verraten werden, deshalb nur dies: Der werdende Familienvater Justin Kemp (Nicholas Hoult) wird als Jurymitglied in einem Mordprozess aufgeboten. Der Fall scheint klar, Anklägerin Killebrew (Toni Colette) ist sich ihrer Sache sicher, der Angeklagte hat nach einem Barbesuch im Streit seine Freundin umgebracht.
Im Lauf der Gerichtsverhandlung wird Kemp langsam klar, dass er an besagtem Abend genau derselben Bar sass und besagten Streit beobachtet hat. Aufgrund der Zeugenaussagen rekapituliert Kemp seine Erlebnisse unmittelbar nach dem Barbesuch und es dämmert ihm, dass der Angeklagte unschuldig sein muss - und dass er, Kemp, als Einziger weiss, wer der wahre Schuldige ist.

Eastwood kriegt in Juror #2 einmal mehr das Kunststück fertig, mit unaufgeregten und subtilen Regie-Mitteln, hinter Alltäglichkeiten und der scheinbaren Idylle das Grauen erahnbar zu machen.
Als Beispiel sei hier die Eingangssequenz zum Film erwähnt, in welcher der Hauptprotagonist seine schwangere Frau mit verbundenen Augen in das von ihm dekorierte Kinderzimmer führt. Bereits in diesen zwei Minuten hat uns der Regisseur voll in der Hand - das Gefühl, das hier irgendwas nicht stimmt, ist zum Greifen - ohne dass man sagen könnte, weshalb.

Diesen Effekt zieht Eastwood durch den ganzen Film, er erzeugt ihn oft einzig durch Kamerafahrten, kleine mimische Regungen oder ein Detail in der Ausstattung... Es ist fantastisch!

Juror #2  ist im besten Sinne "altmodisch". Keine übertrieben Mätzchen, keine grosspurigen Effekte, stattdessen: grosse Regiekunst; und die kommt schliesslich nie aus der Mode!
Es gibt zwar kaum Action, aber die Stürme, der Furor, die Hatz spielen sich innen ab und werden auf den Gesichtszügen der Hauptfigur sichtbar. Nicholas Hoult ist dabei glaubhaft bis zur Schmerzgrenze.
Was da im Zug der Gerichtsverhandlung und im Lauf der Konferenz der Geschworenen nach und nach ans Licht kommt, liess mir immer wieder den Atem stocken.
Und einfach so nebenbei glänzt der Film mit erfrischenden Gedankenspielen zum Thema Justiz, Recht, Gerechtigkeit. Er wirft uns als Zuschauer regelrecht hinein in einen schrecklichen Gewissenskonflikt, dem man sich kaum zu entziehen vermag und zwingt uns, darüber nachzudenken.

Juror #2 ist dabei kein Abklatsch von Lumets "12 Geschworenen", obwohl er eine ähnliche Ausgangslage aufweist - im Gegenteil. Er nutzt diese vielmehr, um mit den Erwartungen zu spielen. Was am Ende herauskommt, ist um einiges düsterer, tiefer und hat mehr Facetten.


Ein heisser Tipp zum Schluss: Man sollte sich den Film ohne Vorkenntnisse der Handlung ansehen - und vor allem ohne den Trailer geschaut zu haben! Er wirkt nicht zuletzt durch seine Überraschungsmomente. Und dann schlägt er ein wie eine Bombe.

Juror #2 ist bei uns dieser Tage in den Kinos angelaufen.


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