Originaltitel: Destry Rides Again
Deutscher Titel: Der grosse Bluff (hierzulande erstmals im Kino gezeigt im Juli 1947)
USA 1939
Mit James Stewart, Marlene Dietrich, Brian Donlevy, Charles Winninger, Mischa Auer, Una Merkel, Jack Carson u.a.
Regie: George Marshall
Drehbuch: Felix Jackson, Gertude Purcell und Henry Myers nach dem Roman von Max Brand
Produzent: Joe Pasternak
Studio: Paramount
Kamera: Hal Mohr
Musik: Frank Skinner
Dauer: 95 min
Farbe: schwarzweiss
Bewertungen:
imdb.com: 7,7 / 10 (10'022 Stimmen)
Letterboxd.com: 3,7 / 5 (2'946 Stimmen)
Meine Wertung: 9 / 10
"Ich weigere mich, zu Halloween einen Horrorfilm zu besprechen!!!"
Michael Scheck, 29.10. 2020
"Bottleneck" heisst das Westernkaff in diesem berühmten Film - Flaschenhals. Die Einwohner von Flaschenhals sind allesamt rauhe Kerle - das macht bereits der Titelvorspann deutlich: Hinter den Anfangstiteln wird geballert und geprügelt, bevor der Film richtig angefangen hat. In dieses rauhe Klima verschlägt es Tom Destry (James Stewart), den Sohn des ehemaligen Sheriffs von Bottleneck. Tom wird gerufen, nachdem die korrupten Dorfkönige den letzten Gesetzeshüter von hinten erschossen und den Dorfsäufer Wash (Charles Winniger) an dessen Stelle gesetzt haben. Wash kannte Toms Destrys Vater und ist überzeugt, der Sohn sei derselbe Haudegen.
Doch weit gefehlt: Er hält nichts von Waffen - er will dem Übel mit dem Gesetzbuch zu Leibe rücken. Und Alkohol trinkt der Junge auch nicht...!
Gedanken vor dem Film:
Ich war gespannt, ob ich Destry Rides Again, den ich bereits zwei Mal gesehen hatte, nach all den Jahre noch immer so toll finden würde. Damals hielt ich ihn für einen der besten Western und der witzigsten Hollywood-Filme aus jener Zeit.
Gedanken nach dem Film:
Yepp! Immer noch ein grandioser Film!
Am damaligen Eindruck hat sich nichts geändert. Das erlebe ich eher selten mit Filmen, die ich nach langer Zeit wieder schaue. Man wird ja älter und bekanntlich auch weiser - und da die Filme unverändert stehenbleiben, ist der Blick darauf nach Jahren oft ein anderer. Ich meine, dass jene Filme, die dem "Reifetest" standhalten, die wirklich guten sind. Davon gibt es wenige, Destry gehört nun auch dazu.
Das erstaunliche an diesem Film ist: Regisseur George Marshall gehört keineswegs zu den grossen. Destry Rides Again ist der einzige herausragende Film seiner Karriere - der einzige, der allgemein als Meisterstück anerkannt ist; keine weiteren Klassiker in seinem Repertoire.
Ich muss zugeben, dass ich von ihm nur jene paar Filme kenne, die er mit Stan Laurel & Oliver Hardy gedreht hatte, und dort fällt seine Regie nicht weiter auf. Alle anderen Titel seiner Filmografie sind entweder böhmische Dörfer oder gerade mal vage bekannt.
Dasselbe lässt sich von den Drehbuchautoren sagen, Felix Jackson (eigentlich Felix Joachimson, ein Deutscher), Gertude Purcell und Henry Myers.
Alle vier schrieben viele Filme vorher und viele Filme nachher und nur einer, mittendrin, wird zum unserblichen Genre-Klassiker. Und zwar gleich in zwei Genres, Western und Komödie.
Zufall? Schicksal?
Es wäre bestimmt interessant, sich auch mal andere, weniger bekannte Filme dieser vier Leute anzusehen und zu prüfen, ob Marhalls Regie weiterhin derart dynamisch, lebendig und einfallsreich war wie hier. Oder ob das Schreibtalent der Autoren nach Destry für weitere Filme reichte.
Marshall drehte in den Fünfzigerjahren diesen Film noch einmal, unter dem Titel Destry und mit anderer Besetzung - als hätte er seinen Erfolg nochmals wiederholen wollen. Daraus wurde aber nichts.
Destry Rides Again glänzt durch eine starke Geschichte, eine einfallsreiche, temporeiche und dynamische Regieführung, ein dramaturgisch dichtes, mit pointierten Dialogen durchsetztes Drehbuch und einer sicheren Schauspielerführung, die konsequent den komödiantischen Aspekt im Blick behält.
Die Geschichte setzt der Selbstjustiz des Wilden Westens die Macht der Gesetze gegenüber und mit Tom Destry einen Mann, der sich damit genau auskennt. Der Film kommt zum Schluss, dass die Gesetze nur greifen, solang sich alle daran halten. Als der Oberschurke (Brian Donlevy) den Helden von hinten erschiessen will, greift auch er in Notwehr zur Waffe. Die Thematik wird allerdings keineswegs in der Tiefe ausgelotet, im Gegenteil, die Probleme werden auf mirakulös glatte Weise gelöst. In gewisser Weise hat Destry Rides Again grosse Ähnlichkeiten mit den Filmen Frank Capras; auch dort geht es stets um die rechte Haltung angesichts derer sich die dunklen Wolken verziehen. Auch sonst ist hier ein capraesker Tonfall auszumachen - nicht zuletzt weil auch hier die grösseren und kleineren Nebenrollen mit begnadeten Komödianten wie Mischa Auer, Charles Winninger, Billy Gilbert oder Warren Hymer besetzt sind.
Und wie Capras bekanntesten Fime könnte man Destry Rides Again als frühes "feelgood movie" bezeichnen, denn am Ende siegt das Gute über das Böse, der Friede in Bottleneck ist hergestellt und Tom Destry ist zum angesehenen Mitglied der Gemeinde geworden. Und wie bei Capra hat das mehr Grösse, als es dies schnöde Zusammenfassung vermuten lässt.
Ansehen? Nicht ansehen? Der Film macht Spass, die vielen erzählerischen Details und die prägnant gezeichneten (und zum Teil überzeichneten) Figuren bereiten immer wieder Freude. Und da der Film bei uns auf Blu-ray und DVD erschienen ist (beides noch antiquarisch erhältlich) sowieso: Ansehen!
Im Stream ist er leider nicht zu finden.
Personelles:
Marlene Dietrich nahm die Rolle der zwieliechtigen Bardame Frenchy erst nach reiflicher Überlegung an. Ihre Karriere war damals im Abwärstrend, und sie brauchte einen Erfolg. Ihr Star-Status ist im fertigen Film deutlich sichtbar: In den Credits erscheint ihr Name noch vor jenem James Stewarts und immer wieder werden unmotiviert Grossaufnahmen ihres Gesichts zwischengeschnitten. Ihr letzter Film vor Destry lag drei Jahre zurück: Angel (dt.: Engel, 1937) von Ernst Lubitsch - in ihrem nächsten Film, Seven Sinners (dt.: Das Haus der sieben Sünden, 1940) mit John Wayne, wiederholte sie die Rolle der Bardame aus Destry.
James Stewart war mit Destry einen Schritt weiter auf dem Weg zum Ruhm. Er sagte einmal: "Ein James Stewart-Film hat zwei wichtige Ingedienzien: Er ist sauber und er beinhaltet den Triumph des Underdogs über den Tyrannen." Diesem Grundsatz folgte er bereits früh in seiner Karriere, und Destry ist eines der besten Beispiele dafür. Vor Destry war Stewart in Capras Mr Smith Goes to Washington (dt.: Mr. Smith geht nach Washington, 1939) zu sehen, danach in Lubitschs Shop Around the Corner (dt.: Rendezvous nach Ladenschluss, 1940) - beide ebenfalls unsterbliche Komödien-Juwelen!
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