Montag, 26. Oktober 2020

Ferner liefen... (Kurzkritiken: verlorene Seelen / Dieb mit Klasse / Bunny Lake)

Ich möchte in meinem Blog mehr und mehr die cinèastischen Highlights vorstellen, denen ich begegne. Unter der Rubrik "ferner liefen" handle ich in Zukunft jene Filme kurz ab, die qualitativ mehr oder weniger abfallen.

Insel der verlorenen Seelen (Island of Lost Souls, 1932)
Ein Schiffbrüchiger (Richard Arlen) gerät auf die nicht kartografierte Insel eines gewissen Dr. Moreau (Charles Laugton), der dort mit Tieren experimentiert, die er operativ zu menschenähnlichen Wesen umwandelt. Recht freie Verfilmung von H.G. Wells Romanklassiker "Die Insel des Dr. Moreau".
Ich muss zugeben, dass ich diesen Film verabscheue. Ich kann ihm nicht nur nichts abgewinnen, sein Sadismus widert mich an. Was ist überhaupt der Sinn der Geschichte? Nichts Substantielles, Horror um des Horrors Willen. Natürlich kann man alles Mögliche hineininterpretieren - wie in jeden Film: Kritik am Kolonialismus, an der Religion, an der Wissenschaft... Doch für solche Raffinessen ist der Film zu krud und zu plump.
Immerhin bin ich mit meiner Abneigung in guter Gesellschaft: H.G. Wells, der Autor der Vorlage, hat den Film ebenfalls gehasst.
Allerdings ich muss zugeben, dass ich die Vorzüge des Streifens sehe, die da wären:
Charles Laughton - er ist einfach ein grandioser Schauspieler; sein Dr. Moreau ist völlig anders als jeder andere Bösewicht, den Laughton je porträtiert hat - und als jede andere Figur, die ich ihn habe spielen sehen.
Die Sets: Sie  sehen unglaublich aus. Hans Dreier hat wunderbare Arbeit geleistet und eine unheimliche Atmosphäre des Verfalls, tropischer Schwüle und fiebriger Alpträume geschaffen.
Das Make-up: Wally Westmore und Charles Gemora schufen alptraumhafte Bestien, die auch heute noch erschreckend wirken!
Die Regie: Erle C. Kenton, heute noch am besten bekannt für diesen Film und für einige frühe Abbott & Costello-Streifen, leistete tadellose Arbeit, um all die oben genannten Komponenten zur Geltung zu bringen.
Der Rest der schauspielerischen Besetzung ist zum Vergessen. Zudem: Keiner der Charaktere ist ausgearbeitet - sie alle sind platte, leblose Karikaturen. Mit anderen Worten: langweilig.
Meine Bewertung: 4 / 10


Ein Dieb mit Klasse (Jewel Robbery, 1932)
Wien 1932: Ein Juwelendieb (William Powell) geht um in der Stadt, kein Juwelier scheint vor ihm sicher.
Baronin Teri (Kay Francis) ist verwöhnt und ist verrückt nach teurem Schmuck. Deshalb hat sie einen viel älteren, dafür reichen Mann (André Luguet) geheiratet. Als Teri mit ihrer Entourage gerade beim Schmuckgeschäft Holländer weilt, um einen 50‘000 Dollar-Ring abzuholen, wird der Laden auf äusserst unkonventionelle Art ausgeraubt. Der Dieb und Teri verlieben sich ineinander…
Jewel Robbery glänzt mit witzigen Einfällen und unkonventionellen Wendungen. Diese sind grösstenteils dem Verfasser der Vorlage, Theaterautor Ladislas Fodor zu verdanken. Die Verfasser des Drehbuch setzen die Vorlage leider in den Sand – es wirkt so, als hätte jemand eine Reihe vorgegebener prickelnder Dialogzeilen in stümperhafter Weise und ohne Gefühl für den dramaturgischen Fluss zusammengefügt. Ja, der ganze Film erweckt diesen Anschein; es gibt kein richtiges Timing, einige Szenen werden über Gebühr in die Länge gezogen während andere brüsk abgehandelt werden.
Kommt dazu, dass die Figuren allesamt flach und eindimensional sind; sie entwickeln trotz guter Hauptdarsteller keinerlei Leben und weckten folglich beim Betrachter keinerlei Interesse.
Es ist nicht auszudenken, was Ernst Lubitsch aus diesem schönen Stoff gemacht hätte! Sein ebenfalls deutscher Kollege William Dieterle filmt die Vorlage fantasielos ab, Jewel Robbery wirkt, als hätte Dieterle das Projekt nicht im Mindesten interessiert.
Schade – umso mehr, weil die Vorlage deutliches Potential für eine grandiose Komödie gehabt hätte.
Meine Bewertung: 3 / 10

 

Bunny Lake ist verschwunden (Bunny Lake is Missing, 1965)
Bunny Lake is Missing ist eigentlich ein handwerklich hervorragend gemachter, sehr spannender Film.
Das Kind amerikanischer Neuzuzüger, „Bunny“ Lake, verschwindet an seinem ersten Schultag aus einer Privatschule in London. Niemand will es gesehen haben, dafür tauchen im Zug der Ermittlungen zahlreiche äusserst seltsame Charaktere auf, die alle als potentielle Entführer in Frage kommen könnten.
Trotzdem keimt aufgrund einiger Ungereimtheiten bei Superintendent Newhouse (Laurence Olivier) der Verdacht, dass „Bunny“ nie wirklich existiert hat, ja, dass das Kind der Fantasie der überspannt wirkenden Mutter (Carol Linley) entsprungen sei…
Regisseur und Produzent Otto Preminger hatte bereits zwei Drehbuchentwürfe zurückgewiesen, die Evelyn Pipers gleichnamigen Roman in Filmform umzugiessen versuchten, bevor er jenen des Ehepaares John und Penelope Mortimer als passend akzeptierte.
Wie konnte er nur? Waren die anderen beiden Entwürfe noch schlechter?
Ich kenne den Roman nicht und weiss nur, dass sich die Auflösung des Rätsels im Film von jener des Romans unterscheidet.
Die Film-Auflösung ist derart bescheuert, dass sie den ganzen schönen Film rückwirkend kaputt macht. Was zunächst solide aufgebaut erscheint, erweist sich am Ende als bewusste Irreführung des Publikums, einzig um des Effekts Willen.
Tolle Regie, tolle Schauspielerleistungen (jedenfalls Seitens der Engländer, die beiden Amerikaner, Keir Dullea und Carol Linley, fallen ihnen gegenüber deutlich ab), tolle Kameraarbeit – aber ein Drehbuch, das so ärgerlich ist, dass man kaum glaubt, dass eine solche Qualitäts-Diskrepanz im selben Film überhaupt möglich ist.
Meine Bewertung: 4 / 10

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