Montag, 2. November 2020

Seh-Empfehlung 14: Willow (1988)

Originaltitel: Willow
Deutscher Titel: Willow (hierzulande erstmals im Kino gezeigt im Dezember 1988)
USA 1988
Mit Warwick Davis, Val Kilmer, Joanne Whalley, Jean Marsh, Patricia Hayes, Billy Barty u.a.
Regie: Ron Howard
Drehbuch: Bob Dolman nach einer Story von George Lucas
Kamera: Adrian Biddle
Musik: John Barry
Dauer: 125 min
Farbe:color

Willow spielt in einer fernen Fantasywelt. Die böse Königin Bavmorda (Jean Marsh) lässt das Land nach einem Baby durchkämmen, das sie gemäss einer alten Prophezeihung dereinst entmachten wird. Die kleine Prinzessin wird von einem Zwergenvolk in dessen Dorf versteckt, doch als der Dorfälteste die Gefahr nahen sieht, beauftragt er den Zauberlehrling Willow (Warwick Davis), das Kind in die Menschenwelt zu bringen. Dies ist der Beginn einer Reihe von haarsträubenden Abenteuern, die Willow zusammen mit dem Dieb Madmartigan (Val Kilmer) bestehen muss, um das Kind von Bavmordas Kriegern zu retten...

Gedanken vor dem Film:
Eigentlich habe ich keine grossen Erwartungen an diesen Film. Fantasy ist nicht so mein Ding, zudem sieht Willow aus, als hätte man sich bei Lucasfilms Ltd. an den Hype des ein Jahr zuvor entstandenen Fantasy-Opus Die Braut des Prinzen von Rob Reiner drangehängt - einem Film, dem ich auch bei nochmaliger Sichtung rein gar nichts abgewinnen konnte. Da ich aber Ron Howard als Regisseur sehr schätze, gebe ich Willow eine Chance. 


Gedanken nach dem Film:

Da hatt ich mich wieder einmal gründlich getäuscht! Schon nach ein paar Minuten war klar, dass Willow in einer gänzlich anderen Liga spielt als Rob Reiners überschätzter Schinken. Schon mit den ersten atemlosen Einstellungen wird man in die Fantasiewelt des Films regelrecht hineingeschubst, und weil da - noch vor dem Titelvorspann - ein herziges Baby vor dem Zorn einer bösen Königin gerettet werden soll, ist man bereits emotional involviert, bevor man weiss, wie einem geschieht.
Und alles, was dann folgt, allem voran die überaus sympathisch gezeichneten und besetzten Hauptfiguren, halten die emotionale Beteiligung die ganze Filmdauer über aufrecht.

Die Geschichte stammt aus der Feder (und dem Studio) von George Lucas. Offenbar plante der Meister zwei Fortsetzungen; nach dem lauen Erfolg des Films erschienen diese aber nur in Buchform. Das Fantasygenre hatte es dem Vernehmen nach gegen Ende der Achtzigerjahre offenbar schwer - anders kann ich mir das fehlende Interesse an Willow nicht erkären, denn der Film ist ein einziges Fest! Neben der packend erzählten Story gibt es soviele parodistische Elemente und Anspielungen auf andere Filme und Bücher darin, dass er auch auf der Metaebene funktioniert und Film- und Fantasy-Cracks zusätzliche Freude bereitet.
Die Darsteller sind samt und sonders perfekt gewählt und spielen ihre Parts mit soviel Verve, dass man aus dem Grinsen nicht herauskommt, und mit soviel Wärme, dass man ihnen noch lange zuschauen möchte. Der zwergwüchsige, damals 17-jährige Hauptdarsteller Warwick Davis ist eine Wucht, er ist das Herz des Films, im wahrsten Wortsinn. Sein Partner Val Kilmer überbordet als pompöser Haudegen Madmartigan schier vor Spielfreunde; einen grossen Teil seines Textes hat er während des Drehs improvisiert. Wenn er über die Figur, die von seiner damaligen Geliebten und späteren Ehefrau Joanne Whalley verkörpert wird, herzieht und seine Tirade mit dem verzweifelten Ausruf "I hate this women!" beendet, dann ist das unglaublich lustig, obwohl es im Kontext des Films gar nicht so gemeint ist.  


Wer mit Disneys Klassikern bekannt ist, wird ständig Bildzitate und Versatzstücke aus Disneyfilmen entdecken, Kenner des Romans "Herr der Ringe" werden Anspielungen und Zitate finden, und auch "Star Wars"-Bewanderte kommen auf ihre Kosten. Die Reminszenzen und Persiflagen sind aber so beiläufig und mit soviel Understatement plaziert, dass sie den Fluss der Handlung, der unaufhaltsam auf ein actionreiches Finale zusteuert, nie stören. Wer sie bemerkt, freut sich, alle anderen finden in der Handlung genügend Aufregung. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass auch die Filmmusik (John Barry) das Zitate-Spiel munter mitmacht: Das Hauptthema von Willow ist ein unverhülltes Zitat des Hauptmotivs aus dem ersten Satz von Robert Schumanns dritter Sinfonie!
Willow wirkt wie aus einem Guss, packt, unterhält glänzend, begeistert mit erstklassiger Regieführung, tollen Effekten, einem hervorragend geschiebenen Drehbuch und engagierten schauspielerischen Leistungen.
Natürlich läuft die Handlung nach einem simplen Muster ab (hier die Guten, dort die Bösen); doch Willow beweist, dass es durchaus möglich ist, auch innerhalb der guten alten Schwarzweiss-Malerei interessante und differenziert gezeichnete Figuren zu entwerfen.

Anschauen? Nicht anschauen? Wer ältere Filme aufgrund der Perfektion moderner Tricktechnik als minderwetig bezeichnet, sollte die Finger von Willow lassen, wer alle Fantasy-Filme ausschliesslich an Peter Jacksons Herr der Ringe misst, ebenso. Wer flott erzählte, spannende Geschichten mit einer guten Portion Humor mag, sollte sich Ron Howards Film aber unbedingt ansehen. Für mich war er eine schöne Entdeckung!
Willow gibt's auf Blu-ray und DVD - streamen kann man ihn bei Disney+


Personelles:

Warwick Davis
hatte seinen ersten Auftritt in George Lucas' zweitem Star Wars-Film (Return of the Jedi); dort spielt er die Figur des Ewok Wicket. Lucas' schrieb ihm Willow auf den Leib; seither war der englische Schauspieler in zahlreichen Kinohits zu sehen, u.a. in weiteren Star Wars Episoden und in sämtlichen Harry Potter-Verfilmungen. Willow soll demnächst als TV-Serie weitergeführt werden - wieder mit Warwick Davis in der Titelrolle.
Val Kilmer erreichte in den Achzigerjahren Starruhm, vor allem durch seine Darstellung des Jim Morrison in Oliver Stones Biopic The Doors, der drei Jahre nach Willow entstand. Vor Willow spielte er neben Tom Cruise in Top Gun eine wichtige Nebenrolle. Er ist heute noch immer sehr aktiv, allerdings in weniger prestigeträchtigen Werken, deshalb hört man hierzulande auch nicht mehr viel von ihm. In einem seiner neusten Filmen, Cinema Twain, in dem er auch Regie führte, spielte er den Dichter Mark Twain. Es ist die Verfilmung seines eigenen Theaterstücks, "Citizen Twain".
Billy Barty: siehe die Ergänzung von Manfred Polak in Kommentare!
Ron Howard gehört heute zu den aktivsten und versiertesten Regisseuren der USA. Zuvor machte er im Fernsehen als Kinderdarsteller Karriere; die Schauspielerei pflegte er über die Jahre bis heute weiter, indem er kleinere Rollen in TV-Serien übernahm. Howard trat aber auch in Kinofilmen auf, u.a. an der Seite John Waynes (The Shootist, 1976). Seine zweite Karriere als Regisseur begann - nach drei Kurzfilmen - unter den Fitichen von Roger Corman mit Grand Theft Auto (1977), in dem er auch die Hauptrolle spielte. Vor Willow drehte die Satire Gung Ho, danach folgte mit Parenthood ein witziger Blick auf die amerikanische Familie. Ron Howard ist in vielen Genres zu Hause, und wenn er ein gutes Drehbuch hat, kann man sich auf einen lohnenden Filmabend freuen. Seine besten Filme, neben Willow: Apollo 13 (1995), A Beautiful Mind (2001), Rush (2013).
Sein neustes Werk ist der Dokumentarfilm Rebuilding Paradise über die 2018 vom grossen Feuer ruinierte Kleinstadt Paradise in Kalifornien.



2 Kommentare:

  1. Man könnte bei "Personelles" noch hinzufügen, dass der kleinwüchsige Billy Barty auf eine jahrzehntelange Karriere zurückblickte. Ab 1927 spielte er an der Seite von Mickey Rooney in vielen Folgen von MICKEY MCGUIRE ein Baby, und im Busby-Berkeley-Musical GOLD DIGGERS OF 1933 (Rahmenhandlung von Mervyn LeRoy inszeniert) war der damals Achtjährige in der Musiknummer "Pettin' in the Park" auch wieder ein Baby, das Frauen unter den Rock guckt und dabei wissend grinst. Man merkt, es handelte sich um ein Precode Talkie ...

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  2. Herzlichen Dank Manfred, für die wertvolle Ergänzung!

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