Sonntag, 8. November 2020

Meine Filmwoche (Kurzkritiken: Eine Braut, Mrs. & Mrs. Smith, Enola Holmes)

Eine Braut für sieben Brüder (Seven Brides for Seven Brothers, 1954) Der beste Film, den ich in dieser Woche gesehen habe, heisst Seven Brides for Seven Brothers.
Zu Filmbeginn wähnt man sich in einem dieser typischen, gesichtslosen MGM-Musicals der 50er-Jahre, die alle nicht nur ähnlich aussehen, sondern auch ähnlich klingen.
Adam Pontipee (Howard Keel) ein Farmer aus den Hinterwäldern Oregons, kommt auf seinem monatlichen Einkaufs-Ausflug in die Stadt. Neben Tierfutter und Vorräten bräuchte er auch noch eine Frau, nein, am besten gleich sieben, denn er lebt mit seinen seinen sechs Brüdern in einer einsamen Hütte in den Bergen. Millie, eine junge Servierdame (Jane Powell) verliebt sich auf den ersten Blick in den stattlichen Adam, heiratet ihn rasch und fährt mit ihm zur Hütte zurück. Dass da noch sechs weitere Pontipees wohnen, samt und sonders grässlich ungehobelte Burschen, davon wusste sie nichts.
Nach einem gehörigen Schrecken verschafft sich Millie Respekt und bringt der Saubande Manieren bei, damit auch sie einmal erfolgreich auf Brautschau gehen können.
Die ersten 20 Minuten sind mühsam. Die beiden Hauptdarsteller verkörpern eindimensionale Figuren, singen einige laue Songs, bewegen sich durch eine lächerliche Studiolandschaft mit im Hintergrund aufgemalten Kulissen - alles sieht ganz nach typischer MGM-Dutzendware aus.
Als dann aber Adams Brüder auftauchen, wendet sich das Blatt, nun kommt Komödie ins Spiel. Plötzlich steht eine unbändige Spielfreude im Vordergrund, die mitreissender wird, je länger der Film dauert. Es folgen Tanzsequenzen, die derart lebendig und virtuos in Szene gesetzt sind, dass man die anfäglichen Vorbehalte vergisst. Man merkt deutlich, dass Regisseur Stanley Donen gelernter Choreograf war.
Die sechs Brüder sind herrlich anarchisch gezeichnet, und der Film kommt dadurch immer wieder von seinem Weg der Betulichkeit ab.
Auch wenn die Hauptcharaktere flach bleiben, Howard Keel und Jane Powell schauspielerisch gegenüber den anderen abfallen, die Lieder schwach sind und viele Wendungen völlig unglaubwürdig bleiben, Seven Brides for Seven Brothers macht dank der Spielfreude, seiner schwungvollen Inszenierung und seinen Ausbrüchen in die Anarchie nach einigen Anfangsschwierigkeiten grossen Spass!
Den Film gab's hierzulande auf DVD (nur noch antiquarisch erhältlich) und er kann auch online angeschaut werden - hier die Liste der Anbieter.


Ferner liefen...

Enola Holmes (2020) Enola Holmes (Millie Bobby Brown), Sherlocks und Mycrofts kleine Schwester auf der Suche nach ihrer verschwundenen Feministen-Mutter (Helena Bonham Carter). Unterwegs stolpert sie über den Fall eines flüchtigen jungen Lords (Louis Partridge), dem ein Mörder auf den Fersen zu sein scheint.
Ein streckenweise zwar spannender, aber unsensibler und kruder Literatur-Verschnitt. Das Drehbuch schafft den Bezug zu Sherlock Holmes derart oberflächlich, dass man sich fragt, ob der berühmte Name nur Verkaufszwecken diente.
Oberflächlich - und damit langweilg - bleiben auch sämtliche Charaktere; darüber helfen auch formale Spielereien wie das In-die-Kamera-Sprechen oder die mittels witzigen Scherenschnitt-Animationen erzählten Rückblenden nicht hinweg.
Der Film ist zwar schön anzuschauen und streckenweise originell, doch er gibt nichts her und wird dort zum Ärgernis, wo er dem heutigen Zeitgeist huldigt und den militanten Feminismus in die Handlung hineinwürgt, der wie ein Fremdkörper wirkt und allzudeutlich auf die Publikumszahlen abzielt.
Die einzige Erkenntnis, die mir Enola Holmes beschert hat, ist mit der aufstrebenden Hauptdarstellerin und Produzentin Millie Bobby Brown verbunden: Ich weiss nun, dass sie auch eine komödiantische Ader hat und dass sie eine eher mittelmässige Schauspielerin ist.
Den Film kann man bei Netflix streamen.

Mr & Mrs. Smith (1941) Dies ist nicht nur der untypischste von Alfred Hitchcocks amerikanischen Filmen, in meinen Augen ist er auch der schwächste - noch vor dem berüchtigten "Paradine Case".
Der "Master of Suspense" drehte hier eine reine Komödie.
Die einen Historiker behaupten, dies sei auf eigenen Wunsch geschehen, die anderen meinen zu wissen, er sei auf Drängen von Hauptdarstellerin Carole Lombard zum Projekt gestossen, weil sie unbedingt mit ihm zusammenarbeiten wollte.
Hitchcock selbst sagte im berühmten Interview mit François Truffaut: "I more or less followed Norman Krasna's screenplay. Since I didn't really understand the type of people who were portrayed in the film, all I did was photograph the scenes as written."
Und genauso wirkt der Film! Gesichtslos. Niemand käme bei einem Blindtest darauf, wer der Regisseur gewesen sein könnte.
Das wäre ja noch kein Unglück, wenn das Drehbuch gut wäre. Leider ist es schwach. Der erste Akt lässt sich noch ganz gut an: Mr. und Mrs. Smith (Carole Lombard und Robert Montgomery) sind seit drei Jahren verheiratet und streiten sich oft - nicht zuletzt, weil sie sich geschworen hatten, immer ehrlich zueinander zu sein. Eines Morgens äussert er, er wüsste nicht, ob er nochmals heiraten würde, könnte er die Zeit zurückdrehen. Kurz darauf kommt heraus, dass die Heitratsurkunde der Smiths ungültig ist. Zu so kommt es erneut zum Streit, sie schmeisst ihn aus der Wohnung, und wendet sich beleidigt seinem Geschäftspartner zu...
Das Portrait der beiden Titelfiguren fällt zunächst ganz witzig aus, obwohl sie schablonenhaft und unentwickelt bleiben. Nachdem die Handlung in Gang gekommen ist und eine vertieftere Figurenentwicklung unerlässlich würde, biegt Drehbuchautor Krasna ab und führt mit Smiths Kompagnon (Gene Raymond) eine dritte Hauptfigur ein, die ebenso langweilig und eindimensional geschrieben ist. Mit der Dreiecksgeschichte franst schliesslich auch noch die Handlung aus und besteht nur noch aus bemüht "lustigen", mühsam zusammengeschusterten Episoden, die nirgends hin führen. Deutlich wird dies in der von Truffaut zitierten Sequenz auf dem Rummelplatz: Da wird Spannung aufgebaut, die aber verpufft, weil die Episode keinerlei Funktion im Ganzen bekommt und auf den Rest der Handlung komplett folgenlos bleibt.
So wird Mr. und Mrs. Smith, der eigentlich vielversprechend begann, immer langweiliger. Schade um das Potential, das hier verschwendet wird: Die drei Hauptdarsteller sind hervorragend und stellen ihre komödiantische Ader eindrücklich unter Beweis. Dass daraus kein Ganzes wird, ist ein Jammer. Der Haupschuld liegt beim Drehbuch - doch Hitchcock ist nicht ganz unschuldig. Man spürt eine gewisse Unsicherheit in der Führung; es schien es ihm bei diesem Projekt nicht wohl zu sein. Komödie ohne Krimi war wohl wirklich nicht sein Ding.

 

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