Montag, 1. März 2021

Cocktail für eine Leiche (USA 1948)

 


USA 1948
Originaltitel: Rope
Mit James Stewart, Farley Granger, John Dall, Joan Chandler, Cedric Hardwicke, Edith Evanson u.a.
Drehbuch: Arthur Laurents
Regie: Alfred Hitchcock

Inhalt:
Die beiden Studenten Brandon (John Dall) und Phillip (Farley Granger) erdrosseln den Kommilitonen David und verstecken seine Leiche in der Büchertruhe des gemeinsamen Appartements. Die beiden fühlen sich anderen Menschen moralisch und geistig überlegen, soeben haben sie den perfekten Mord an einem "minderwertigen" Individuum verübt. Um den perversen Erfolg auszukosten, haben sie zu einer Party geladen und funktionieren die Truhe zum Büffet um. Die Krönung des Ganzen ist die Teilnahme ihres ehemaligen Professors Rupert Cadell (James Stewart), der sie mit seiner Übermenschen-Theorie zum Mord inspiriert hat - freilich, ohne sich dessen bewusst zu sein. Zweideutige Bemerkungen Brandons während der Party lassen Cadell stutzig werden, und als er Phillips zunehmende Nervosität bemerkt, fängt er an Verdacht zu schöpfen...

Vor der Sichtung:
Alfred Hitchcock verfilmte hier ein Theaterstück, in dem zwei Studenten den perfekten Mord zu begehen versuchen und diesen sogar regelrecht inszenieren. "Hitch" hatte den Einfall, den ganzen Film in einer einzigen Einstellung, also ohne Schnitt, zu drehen - damit wollte er die Nähe zum Theater betonen, statt diese, wie im Kino üblich, zu kaschieren. Er konnte allerdings immer nur zehn Minuten am Stück drehen, weil nach zehn Minuten die Filmrolle in der Kamera aufgebraucht war und ausgewechselt werden musste. Dank einiger Tricks vermochte Hitchcock diesen Umstand allerdings zu kaschieren. Ich hatte den Film in meiner Jugendzeit bereits einmal gesehen und erinnere mich noch daran, hauptsächlich auf diese Tricks geachtet zu haben. Vom Inhalt ist mir praktisch nichts in Erinnerung geblieben.
Dabei bin ich nun gerade darauf gespannt, denn ein zentrales Motiv der Handlung ist eine Herrenmenschen-Theorie, welche die zwei Studenten erst zum Mord anstachelt. Sie interpretieren diese Theorie dahingehend, dass geistig und moralisch überlegene Individuen fähig und rechtens sind, Morde an minderwertigen Personen zu begehen.

Es nimmt mich Wunder, wie diese heikle Thematik in einem Hollywood-Film der späten Vierzigerjahre behandelt wird - das ist der Hauptgrund für mein geplantes Wiedersehen mit 
Rope.

Ich sehe dem Film mit gemischten Gefühlen entgegen und bin gespannt, was mich da mit einem von Hitchcocks weniger populären Werken erwartet.

Nach der Sichtung:
Die gemischten Gefühle kamen nicht von ungefähr: Die 
Übermenschen-Thematik wird in diesem Film nur oberflächlich abgehandelt, sie dient eigentlich nur als Vorwand für die Entwicklung einer spannenden Geschichte. Weder das Drehbuch noch die Regie - und die Bühnenvorlage offenbar auch nicht - sind daran interessiert, in dieser Beziehung etwas tiefer zu loten. Zwar ist der Professor entsetzt darüber, dass seine Theorie zum Anlass für einen kaltblütigen Mord genommen wurde, aber es wird nicht ersichtlich weshalb. Wer wie er eine derart menschenverachtende Theorie vertritt und sich dann über die Konsequenzen wundert, ist entweder grenzenlos naiv oder unehrlich. Doch beide Charakterzüge sind in der von James Stewart verkörperten Figur nicht angelegt. In diesem zentralen Punkt funktioniert der Film also schon mal nicht.

Die Idee, alles in einer Einstellung zu filmen, ist zwar reizvoll und deren komplexe Anforderungen wurden kameratechnisch hervorragend gemeistert, die Frage bleibt aber: Wozu der ganze Aufwand? Für die Zuschauer entsteht dadurch und im Vergleich zu einem herkömmlich geschnittenen Film kein zusätzlicher Schau- oder Erkenntniswert. Das beste, was man über die Technik sagen kann ist, dass sie kaum auffällt - ausser an den Übergängen von einer Filmrolle zur nächsten, die seltsamerweise schrecklich plump geraten sind. Kein Wunder, wurde diese Idee im Kino später kaum mehr weiter verfolgt - von ihr geht keine grosse Wirkung aus, und dafür ist der Aufwand dann wohl doch zu gross.
 
Bleibt ein hervorragend inszenierter Film, der durchgängig spannend bleibt, der aber dank seiner merkwürdigen Thematik ein schalen Nachgeschmack hinterlässt.
Ich vermute, Hitchcock hat Patrick Hamiltons Theaterstück nur deshalb gewählt, weil dies sich perfekt mit einer seiner Vorlieben deckte: Eine Mordgeschichte zu erzählen, in welcher der Zuschauer mehr weiss als die Protagonisten. Obwohl man zu Beginn von Rope Zeuge des Mordes wird, bangt man während des ganzen Films mit den Mördern um die drohende Entdeckung der Leiche. Eigentlich bangt man nur um Phillip, der sich im Lauf der Handlung als willensschwacher, hypernervöser Mitläufer des irren Brandon entpuppt. Und so passt auch hier ein Charakter schlecht zu den gezeigten Handlungen, denn es wird im Nachhinein immer unglaubwürdiger, dass ausgerechnet der so sensible Phillip den Kommilitonen mit eigenen Händen umgebracht haben soll.
 
Fazit:
Rope
ist ein seltsamer Film; er hat etwa gleichviele Mängel wie Vorzüge. Wer erstere auszublenden im Stande ist, wird einen spannenden Filmabend geniessen können. Ich habe mich leider zu sehr an den Mängeln gestossen, als dass ich das Werk vollumfänglich empfehlen könnte.

Als Cocktail für eine Leiche ist dieser erste Farbfilm Hitchcocks hierzulande auf Blu-ray und DVD erschienen - zudem wird er von mehreren Streaming-Anbietern online verfügbar gemacht.

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