Samstag, 3. April 2021

Lebensgier (1954)

Originaltitel: Human Desire
Mit Glenn Ford, Gloria Grahame, Broderick Crawford, Diane DeLaire, Edgar Buchanan, Peggy Maley, Grandon Rhodes u.a.
Drehbuch: Alfred Hayes nach einem Roman von Emile Zola
Regie: Fritz Lang

Vor der Sichtung:
Für einmal macht der Originaltitel dem deutschen Verleihtitel punkto Doofheit Konkurrenz. Regisseur Fritz Lang protestierte vor Kinostart offenbar dagegen, indem er angeführt haben soll: "What other kind of desire is there?" Recht hatte er - der Englische Titel bedeutet "menschliches Verlangen".
Für die Hauptrolle hatte Lang Peter Lorre vorgesehen, doch der weigerte sich - nach "M- Eine Stadt sucht einen Mörder" wollte er nicht mehr mit dem despotischen Regisseur zusammenarbeiten. Dass nun an Lorres Stelle Glenn Ford zuoberst auf der Besetzungsliste steht, mutet seltsam an: Ein grösserer Kontrast zu Lorre ist schwer vorstellbar. Punkto Publikumswirksamkeit ist Fords Wahl nachvollziehbar, doch ich bin skeptisch: Ich kenne Ford bislang nur als unflexiblen, wenig wandlungsfähigen Schauspieler, der wenig mehr drauf hat als drei Gesichtsausdrücke.
Human Desire beruht auf Emile Zolas 1906 erschienenem Roman "La bête humaine", der bereits 1938 vom französischen Regisseur Jean Renoir verfilmt wurde, wobei sich Fritz Lang und sein Drehbuchautor Alfred Hayes weitgehend von Zolas Handlung und Figuren lösten, den Rahmen aber beibehalten - der Film spielt wie die Vorlage im Eisenbahnermilieu. Bezüglich Handlung scheint er eher James M. Cains Roman Double Indemninty (1944 verfilmt von Billy Wilder) zu folgen.

Inhalt:
Zwei Geschichten laufen zunächst parallel zueinander, bevor sie sich ineinander verwickeln: Der (Korea-)Kriegsheimkehrer Jeff Warren (Glenn Ford) nimmt seine Arbeit als Lokführer wieder auf. Gleichzeitig verliert Carl Buckley, ein anderer Eisenbahner (Broderick Crawford) wegen seines Jähzorns die Stelle. Da dessen junge Frau Vicky (Gloria Grahame) den Hauptaktionär der Eisenbahn, John Owens (Grandon Rhodes) gut kennt, bittet Buckley sie, bei diesem ein gutes Wort einzulegen. Sie tut es, kehrt aber erst fünf Stunden später zurück, was Carl zu rasender Eifersucht treibt. Er plant, Owens zu ermorden und zwingt seine Frau dazu, ihn mittels eines Briefes in ein bestimmtes Eisenbahnabteil zu locken.
Weil Lokführer Jeff im selben Zug mitfährt und Vicky begegnet - ihre Ablenkungsversuche interpretiert er als Anbändeln - schöpft er Verdacht, sobald der Mord entdeckt wird. Doch da ist er der Frau bereits verfallen, die ihn bittet, sie aus der Sache herauszuholen...

Nach der Sichtung:
Human Desire (der Titel würde auch auf ca. 2000 andere Filme passen) beginnt packend und zieht die Zuschauer gleich von Beginn weg in seinen Bann. Leider hält dieses dem Film Noir zugeschriebene Werk die Spannungsintensität nicht durch und lässt nach knapp einer Stunde deutlich nach. Dies hat mit der zentralen Figur, der Mördergattin Vicky zu tun. Sie erscheint von Beginn weg als undurchschaubar, man weiss nicht, ist sie ihres Gatten Opfer oder manipuliert sie ihn. Die Spannung, die sich daraus ergibt, fällt mit zunehmender Filmdauer flach, denn es wird zunehmend zum Frust, dass ihre Person stets genau gleich undurchsichtig bleibt und bis zum Schluss in dieser Hinsicht keinerlei Entwicklung durchmacht. Bis zuletzt weiss man nicht, ob alles, was sie erzählt, wahr ist oder ob es sich um infame, manipulative Lügen handelt.
Wenn man mir - wie hier - eine Geschichte erzählt, dann möchte ich mir nicht am Ende zurecht interpretieren müssen, was ich da gerade gehört/gesehen habe. Ich möchte am Schluss wenigstens ansatzweise über die Motive der zentralen Figur Bescheid wissen. Doch Human Desire gibt keinerlei Hinweise darauf. So hinterlässt er ein schales Gefühl - dass dies offebar
nicht nur bei mir der Fall ist, zeigt ein Blick in die Kommentare der Internet-Filmseite Letterboxd.com.

Das ist schade, denn er hat zahlreiche Vorzüge, und die haben ausnahmslos mit dem Regisseur zu tun! Fritz Lang versteht es, die Geschichte mit vielen hinein inszenierten Details lebendig zu gestalten; die Figuren werden mittels kleiner inszenatorischer Einfälle zum Leben erweckt. Jeffs erste Fahrt mit dem Zug zu Begin zum Besispiel ist ein Highlight kreativer Regie-Einfälle; kleinste Nebenfiguren (der Stationsvorsteher, Jeffs Arbeitskollege und dessen Frau, ein Barkeeper) bleiben haften dank der Art, wie sie in Szene gesetzt werden.
Carl Buckley und seine fatale Frau sind mit Broderick Crawford und Gloria Grahame perfekt besetzt, genauso die kleinen Nebenfiguren. Nur Glenn Ford bleibt austauschbar.
Lang versteht es, Atmosphäre zu schaffen und das Publikum zu packen. Er ist ein Meister des Erzählkinos. Leider hatte er während seiner Zeit in den USA oft Drehbücher oder Vorlagen, die seinem Können nicht angemessen waren - Human Desire gehört zu dieser Sorte Film.

Wer ein Gespür für gute Inszenierung hat, sollte ein Auge zudrücken, sich den Film trotzdem ansehen und sich an diesem Aspekt ergötzen.
Human Desire ist hierzulande nicht erhältlich; in England ist er als Doppeledition Blu-ray/DVD bei "Masters of the Cinema" erschienen.

 



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