Donnerstag, 9. Juli 2020

Das Mädchen aus der Cherry-Bar (Gambit, 1966)



Kurzkritik

Gambit (dt.: Das Mädchen aus der Cherry-Bar, USA 1966)
Mit Michael Caine, Shirley MacLaine, Herbert Lom, John Abbott, Arnold Moss, Roger C. Carmel u.a.
Drehbuch: Jack Davies und Alvin Sargent nach einer Geschichte von Sidney Carroll
Regie: Ronald Neame

Kamera: Clifford Stine
Musik: Maurice Jarre
Genre: Komödie

Studio: Universal
Kino/TV-Auswertung im deutschsprachigen Raum: Dezember 1966
Dauer: 109 min

Farbe: color


Der Brite Harry Dean (Michael Caine) bereitet den grossen Coup vor. Zusammen mit dem Kunstfälscher Emile (John Abbott) plant er, den zurückgezogen lebenden Multimillionär Shahbandar (Herbert Lom) auszurauben. Um Shahbandar weich zu bekommen und dessen Vertrauen zu erlangen, heuert Harry in der Cherry-Bar in Hongkong ein Mädchen an, das der verstorbenen Gattin des Millionärs verblüffend ähnelt - Nicole Chang (Shirley MacLaine). Sie bekommt 5000 Dollar, wenn sie mitmacht, ohne Fragen zu stellen...
Als Mr & Mrs Dean checken die beiden in Shahbandars Luxushotel ein und warten darauf, dass ihr Opfer anbeisst - Nicole ist im Stil der verstorbenen Ehefrau aufgemacht. Doch der "geniale" Plan hat leider einige Schwachpunkte...


Das oben abgebildete originale Filmplakat verkündet, man dürfe das Ende des Films ruhig ausplaudern - nur den Anfang nicht. Das ist natürlich ein hübsch ausgedachter Werbegag. Wer auf die erzählerische Raffinesse dieses Films hinweisen will, kommt nicht um den Anfang herum! Besonders schlimm wäre das Ausplaudern nicht, Gambit funktioniert auch, wenn man den Anfangs-Gag kennt.
Anders als andere "Heist-Movies", die alle mit dem meisterhaft ausgeführten Raub enden, stellt Gambit diesen an den Anfang. Nach einer halben Stunde ist er erfolgreich ausgeführt, Shahbandar ist ausgeraubt und Harry Dean reich. Und bis zu diesem Moment hat Shirley MacLaine nicht ein einziges Wort gesprochen!
"Was kann denn da jetzt noch kommen?", fragt man sich angesichts der verbleibenden 50 Filmminuten verwundert.
Da stellt sich heraus, dass alles, was man bisher gesehen hat, nur eine Visualisierung von Harrys Plan war. Dessen eigentliche Ausführung beginnt erst jetzt.



Der grosse Reiz von Gambit liegt in der Diskrepanz zwischen dem eingangs mit filmischen Mitteln vorgestellten Plan und der nun folgenden Ausführung desselben. Nichts funktioniert so, wie geplant, ständig funkt die Tücke des Objekts, ein Denkfehler oder die nicht geplante Intervention eines Unbeteiligten dazwischen. Nicole entpuppt sich als Quasselstrippe; Shahbandar ist viel weniger zurückgezogen und vor allem viel schlauer als gedacht und durchschaut Harrys Spiel sofort. Und immer wieder ist es Nicole, die Harry aus dem Schlamassel befreit; sie ist längst nicht so doof, wie ihr Arbeitgeber geglaubt hat.


Gambit ist einer jener Filme, die einigen Eingeweihten bekannt ist, beim Gros der Filminteressierten aber kaum - wahrscheinlich, weil er zu alt ist. Dabei bereitet die britisch-amerikanische Gemeinschaftsproduktion mit all ihren Wendungen, Einfällen und Pointen von Anfang bis Ende herrliches Vergnügen. Es handelt sich hier um eine jener Komödien, die in praktisch allen cinèastischen Bereichen Bestleistungen zu bieten haben: Die beiden Drehbuchautoren Jack Davies (England) und Alwin Sargent (USA) gehören zu den besten ihres Fachs (Sargent fiel später als Autor von solchen Klassikern wie u.a. Paper Moon und Ordinary People auf); Regisseur Ronald Neame inszenierte den Spass mit unaufdringlicher Raffinesse und inszenatorischer Eleganz - und die drei hervorragenden Hauptdarsteller stehlen einander permanent gegenseitig die Show. Besonders der oft unterschätzte Herbert Lom gibt hier eine Vorstellung, die einen mit wenig äusserlichen Mitteln in den Bann zieht.


Gambit ist nicht ganz auf gleicher Höhe wie der ähnlich geartete Wie klaut man eine Million? (der ebenfalls 1966 in die Kinos kam), aber er reicht schon recht nah an diesen Klassiker heran. 
Seit ein paar Wochen ist er im deutschsprachigen Raum in einer Neuauflage wieder auf Blu-ray erhältlich (Englische Originalfassung plus Deutsche Synchro; Deutsche und englische Untertitel).
Auch im Stream ist er zu finden - hier eine Liste der Anbieter.


Michael Scheck

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