The Road to Morocco (dt.: Der Weg nach Marokko, 1942)
Mit Bob Hope, Bing Crosby, Dorothy Lamour, Dona Drake, Anthony Quinn, Vladimir Sokolov, u.a.
Drehbuch: Frank Butler und Don Hartman
Regie: David Butler
Genre: Komödie
Kamera: William C. Mellor
Musik: Victor Young
Studio: Paramount
Kino/TV-Auswertung im deutschsprachigen Raum: April 1949
Dauer: 81 min
Farbe: schwarzweiss
Die beiden Navy-Kumpels Jeff und Orville (Bing Crosby und Bob Hope) landen nach einem expolsiven Schiffbruch völlig abgebrannt in Marokko. Als Jeff von einem finsteren Einheimischen gebeten wird, ihm seinen Kompagnon zu verkaufen, tut er es - um kurz danach mit schlechtem Gewissen einen Befreiungsversuch zu unternehmen. Doch Orville geht's blendend - er wurde inzwischen zum zukünftigen Gemahl der schönen Prizessin Shalmar (Dorothy Lamour) gemacht und gibt sich im Palast zahlreichen Vergnügungen hin. Die geplante Hochzeit ist allerdings nur eine Scharade: Eigentlich ist die Prinzessin dem Scheich Mullay Kassim (Anthony Quinn) versprochen. Da aber ein Orakel den Tod des ersten Ehemannes eine Woche nach der Vermählung weissagte, wurde Orville als Ersatzgatte gekauft, damit ihn dieses Unglück treffe. Orville gefällt aber der Haremsdame Mihirma (Dona Drake) so gut, dass sie ihm zur Flucht verhilft...
The Road to Marocco war der dritte von sieben Road to... -Filmen, welche das Duo Bing Crosby und Bob Hope (plus Dorothy Lamour) zwischen 1941 und 1962 in entlegenen Winkel der Erde an exotische Schauplätze führten. Er gilt als der beste der Serie.
In der Tat geben sich in dieser ausgelassenen Komödie die Gags und originellen Einfälle die Klinke in die Hand. In aufwändiger, zauberhafter Kulisse tobt sich das Comedy-Duo aus, offenbar ohne sich immer ans Drehbuch zu halten. Die Anspielungen auf zeitgenössische Filmstars, andere Filmprojekte und das Aus-der-Rolle-Fallen vor allem Bob Hopes machten einen grossen Teil des Charmes jener Filme aus. Ständig wird man daran erinnert, dass man nur einen Film sieht, etwa als Hope all die Misgeschicke aufzählt, die ihnen im Verlauf der Handlung widerfahren sind und Crosby fragt: "Wem erzählst du das? Das weiss ich doch alles!" Und Hope: "Das war eine Zusammenfassung für alle, die erst in der zweiten Hälfte des Film 'reingekommen sind." Crosby: "Oh, dann haben die auch meinen Song verpasst...!"
Sogar in den Songtexten ist die Metaebene eingebaut. "For any villains we may meet we haven't any fears; Paramount will protect us because we've signed for five more years."
Die Road to... Filme werden heute immer als Crosby-Hope-Vehikel gesehen - dabei baut die Serie auf einem Trio auf; die dritte im Bund, Dorothy Lamour, wird ständig vergessen, obwohl sie als fester Bestandteil in sämtlichen sieben Folgen mit dabei ist.
Lamour - eigentlich Mary Letha Dorothy Slaton und einstige "Miss New Orleans" - von der ich irrtümlicherweise immer glaubte, sie hätte noch in vielen anderen bekannten Filmen mitgespielt, war in Hollywood kein Glück beschieden. Sie hatte ihre erste, winzig kleine Filmrolle in dem bahnbrechenden Musical 42nd Street (1933). Das half ihr zunächst wenig, in den folgenden Jahren schlug sie sich mit weiteren Kleinrollen durch. Ihr Durchbruch kam schliesslich 1936 - und wurde zu ihrem Fluch: Im heute vergessenen Streifen The Jungle Princess erhielt sie die Hauptrolle, und war damit auf exotische Rollen festgelegt; fortan war sie häufig entweder als fremdländische Prinzessin oder als Insulanerin zu sehen. Es sind tatsächlich praktisch nur die Road-Filme, die Lamours Andenken in der Filmfangemeinde lebendig erhalten haben.
Nach dem Krieg probierte sie ihr Glück in einigen andere Rollen - ohne Erfolg. In den Fünfzigerjahren zog sie sich vom Film zurück und begann eine zweite Karriere als Bühnenentertainerin. 1970 erschien ihre Autobiografie - ihren denkwürdigsten Filmrollen zu Ehren mit My Side of the Road betitelt. Die Road-Filme haben Dorothy Lamour ein kleines bischen Unsterblichkeit verliehen. Zu deren Dreharbeiten bemerkte sie an Bob Hopes neunzigstem Geburtstag: "I felt like a wonderful sandwich, a slice of white bread between two slices of ham."
Hope & Crosby hingegen werkelten zwischen und nach den Road-Episoden an ihren
äusserst erfolgreichen Solo-Karrieren. Das Teaming der beiden als Comedy-Duo scheint auf den ersten Blick eine seltsame Wahl zu sein, vor allem, wenn man die anderen berühmten Duos der Filmgeschichte vor Augen hat: Laurel & Hardy, Abbott & Costello, Martin & Lewis. Diese setzten sich stets aus einem "Vernüftigen" und einem "Dummen" zusammen. Letzterer hatte für eine gewisse Exzentrik zu sorgen.
Hope & Crosby waren anders. Crosby war der Coole, Berechnende, Selbstverliebte, Hope der Tollpatsch. Beide waren ohne den anderen meist besser dran, was sie verband war eine seltsame Hassliebe , die sich in haarsträubenden Wortgefechten manifestierte. Trotzdem funktionierte das Duo bestens. Road to Morocco schaffte es in der Publikumsgunst in die Liste der 20 erfolgreichsten Filme des Jahres 1942.
Das Team entstand eher zufällig. 1932 trafen sich die beiden dem Publikum noch nicht so bekannten Künstler anlässlich der Premiere des Horror-Klassiker The Mask of Fu Manchu, wo sie - unabhängig voneinander und mit anderen Stars zusammen - zur Unterhaltung des Premierenpublikums engagiert worden waren. Das machten ihnen offenbar Spass, denn einige Jahre später lud Bing Crosby Hope ein, mit ihm zusammen auf einer Rennbahn mit ein paar Vaudeville-Nummern für Unterhaltung zu sorgen. Im Publikum wurde Paramount-Produktionschef William LeBaron auf die zwei Blödler aufmerksam und engagierte sie sogleich. Wofür wusste er damals noch nicht, doch irgendwann tauchte ein scheinbar passendes, bereits einmal umgeschriebenes Skript mit dem Titel Road to Mandalay auf, das für die beiden ein weiteres Mal umgeschrieben wurde und aus dem dann The Road to Singapore entstand - der erste und notabene der seriöseste Film der Serie, der aber ein derartiger Erfolg wurde, dass Fortsetzungen in Planung gegeben wurden.
Der Erfolg der Serie inspirierte eine Form von Cross-Promotion zwischen den beiden Stars, welche ihre jeweiligen Solokarrieren befeuerten. So warb der eine in Filmauftritten, am Radio und bei Lifeauftritten für den jeweils anderen. Oder sie luden sich gegenseitig in ihre eigenen Radiosendungen ein, um dort jene komischen Beleidigungen auszutauschen, die aus den Road-Filmen berühmt waren. Sowohl Bing Crosby als auch Bob Hope gehörten am Ende ihrer Leben zu Hollywoods allerhöchster Prominenz.
Rassistisch!
The Road to Morocco und dessen Nachfolger haben Mel Brooks und den frühen Woody Allen zu ihren Filmparodien inspiriert. Heute wäre der Film undenkbar; ich staune, dass im Zuge der allgemeinen Rassismus-Hysterie noch kein Versuch unternommen wurde, ihn zu verbieten. Denn hier sind nicht nur alle Tempeldiener dunkelhäutige Hünen, nein, sämtliche Muslime werden von Nicht-Arabern verkörpert und auf lächerliche folkloristische Chiffren reduziert. Finster dreinblickende bärtige Dunkelmänner mit locker sitzendem Säbel die Männer, exotisch verschleierte, zu jeder Verführung bereite Schönheiten die Damen. Das Morgenland aus der Sicht des weissen Mannes!
Ich muss sagen, dass ich gerade diesen, den politisch unkorrekten Aspekt des Films am meisten genossen habe. Dieses sorglose, kindliche Spiel mit exotischen Vorstellungen und ethnischen Versatzstücken ermöglichte die Film-Träume, für welche das eskapistische Medium seit jeher beliebt ist. Heute würde so etwas unter den massivsten Protesten jener sauertöpfischen Moralapostel begraben, die dank ihrem aggressiven Auftreten politisch momentan das Sagen haben und mit massivem Gesinnungsterror für Angst sorgen. Ein Szenario wie jenes von Road to Morocco darf deshalb nicht mal mehr gedacht werden.
Filme wie dieser zeigen drastisch, dass wir die Fähigkeit zur spielerischen Arglosigkeit verloren haben. Heute, wo jede Äusserung peinlichst auf mögliche politisch unkorrekten Fallstricke abgeklopft werden muss, damit man nicht im Shit-Storm landet, wo niemand mehr Profil zeigt, nur noch Gesinnung und flatternde Hosen, tut ein Ausflug in jene vergangene Zeit gut. Besser war sie möglicherweise nicht, aber unbeschwerter.
Der Film ist in England und den USA mittlerweile nur noch gebraucht auf DVD oder Blu-ray erhältlich. Bei uns ist er nie erschienen...
Michael Scheck
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