Donnerstag, 15. Oktober 2020

Seh-Empfehlung 11: Nuts... Durchgedreht (Nuts, 1987)

 

Originaltitel: Nuts
Deutscher Titel: Nuts... Durchgedreht (Deutsche Kinopremiere März 1988)
USA 1987
Mit Barbara Streisand, Richard Dreyfuss, Karl Malden, Maureen Stapleton, Eli Wallach, James Withmore, Robert Webber, Leslie Nielsen, u.a.
Regie: Martin Ritt
Drehbuch: Tom Topor, Alvin Sargent und Darryl Ponicsan nach dem gleichnamigen Theaterstück von Tom Topor
Studio: Warner Bros.
Kamera: Andrzej Bartkowiak
Musik: Barbara Sreisand
Dauer: 116 min
Farbe: color

Bewertungen: 
imdb.com: 6,6 / 10 (5'805 Stimmen)

Letterboxd.com: 3,1 / 5 (743 Stimmen)
Meine Wertung:
10 / 10

Claudia Draper, eine New Yorker Edelprostituierte (Barbara Streisand) hat einen ihrer Freier (Leslie Nielsen) brutal ermordet.
Nun soll ihr Fall vor Gericht rasch abgehandelt werden, da sie vom Gefängnispsychiater (Eli Wallach) für unzurechnungsfähig erklärt wurde. Sie kämpft allerdings für ihr Recht auf eine anständige Verhandlung und zieht das Gutachten des Psychiaters in Zweifel. Vom Gericht wird ihr dazu der zunächst unwillige Anwalt Aaron Lewinsky (Richard Dreyfuss) zugeteilt, der aber bald von Claudias Fall gepackt ist. 

Der Film zeigt die Verhandlung, die sich um Claudia Drapers Fähigkeit dreht, sich einer gerichtlichen Untersuchung ihrer angeblichen Mordtat zu stellen. Er beruht auf einem Theaterstück von Tom Topor.

Gedanken vor dem Film:
Nuts
lief auch bei uns in den Kinos, auch eine DVD kam auf den Markt. Ich hatte den Film bei seiner Premiere gesehen und fand ihn ziemlich gut, konnte mich aber nur noch an Einzelheiten erinnern. Als ich einige Kritiken im Netz durchstöberte, stiess ich auf einhellige Ablehnung. Von "schlechter Regie" und "lächerlichem Drehbuch" war da die Rede, und auch die Theatervorlage von Tom Topor sei "magelhaft". So empfand ich lange Zeit keinerlei Lust, mir den Film anzusehen. Ich tat es doch, mit dem Vorsatz, ihn bei Nichtgefallen nach 30 Minuten auszuschalten.

Gedanken nach dem Film:
Entweder spinne ich oder das Gros der Kritiker! Nach der Visionierung von Nuts kann ich mich über die vernichtende Presse nur wundern. Der Film ist perfekt! Nicht nur das: Er ist herausragend!
Ich vermute, da lag wieder einmal ein Fall von Kritiker-Herdentrieb vor. Bislang war mir nicht klar, dass es auch Film-Mobbing gibt, doch hier scheint ein solcher Fall vorzuliegen.


So versuche ich hier eine Rehabilitierung.
Von mir bekommt Nuts nur Lob: Angefangen bei der Drehbuchvorlage, die nicht nur ein spannendes, gut geschriebenes Gerichtsdrama mit tollen Dialogen beinhaltet, sondern auch gewichtige Themen wie Selbsverantwortung und Selbstbestimmung des Menschen aufs Tapet bringt und diese mit zahlreichen Formen der Fremdbestimmung kontrastiert; sie macht deutlich, wie verwundbar
ein Kind dank seinem Bedürfnis nach Liebe ist und welch verheerende Auswirkungen eine solche Verwundung noch auf sein Leben als Erwachsener haben kann.
Diese geballte Ladung ist in ein zwar altmodisches, deshalb aber nicht minder wirkungsvolles und packendes dramturgisches Konzept verpackt. Nach und nach wird in der Befragung von Zeugen eine Lebensgeschichte enthüllt, die dank ihrer Verankerung im Prinzip der menschlichen Natur allgemeine Gültigkeit erhält.


Regisseur Martin Ritt setzt dies grandios um! Indem er jeder Figur, auch den weniger zentralen,
ihre klaren Umrisse gibt, stattet er sie mit Glaubwürdigkeit und Hintergrund aus. Seine Bilder sind so konzipiert, dass auch in den vielen Dialogsequenzen eine konstante Spannung da ist, denn er inszeniert die Schauspieler im Hintergrund so, dass ihre Reaktionen auf das Gesagte eigene, stumme Geschichten erzählen. Ich hatte Ritt bislang kaum wahrgenommen, aber dieser Film überzeugt mich von der Notwendigkeit, mehr von ihm zu sehen.
Seine Schauspielerführung ist von traumwandlerischer Sicherheit.



Alles steht und fällt in diesem Film mit der Besetzung der Hauptrolle - und in dieser Beziehung hatte ich zu Beginn Bedenken. Doch Barbara Streisand verwächst mit der Rolle, je länger der Film dauert. Ich kenne zwar nur wenig von dieser multitalentierten Dame, aber derart überzeugend habe ich sie bislang noch nie gesehen. Verglichen mit dem Rest der Schauspieler-Crew fällt sie zwar leicht ab, doch sie meistert den schwierigen Part mit Bravour und vermag zu bewegen. Auch Richard Dreyfuss als ihr quirliger Anwalt ist hier so gut, wie ich ihn nie zuvor gesehen habe.
Karl Malden, Robert Webber (beide in ihren letzten Filmrollen), Maureen Stapleton, Eli Wallach, James Whitmore - sie alle glänzen und fügen sich nahtlos in eine grandiose Ensembleleistung ein.

Es gibt, wie bereits erwähnt, verschiedenste Vorwürfe gegen diesen Film: Schlechte Regie, banales Drehbuch, unglaubwürdige Hauptdartellerin, altmodische Machart. Halbwegs gelten lassen kann ich nur das letztere Argument, und das ist kein Qualitätskriterium. Oder ist - im Umkehrschluss - etwas automatisch gut, nur weil es up to date ist?
Allen anderen Anwürfen muss ich vehement widersprechen und mutmassen, dass da ein Film Opfer einer wie auch immer motivierten Anti-Kampagne geworden ist, die mit seiner Qualität gar nichts zu tun hat. Sogar viele heutige Kritiker käuen die Verriss-Argumente von damals treudoof wieder.


Ansehen? Nicht ansehen? Ansehen! Nuts ist einer der vielen verkannten und zu Unrecht vergessenen Filme, dazu einer, der ausnahmslos aus Bestleistungen besteht. Da darf er meinetwegen so altmodisch sein, wie er will. Das ist angesichts der wichtigen Gedanken, die er anregt, so nebensächlich wie der Stuhl, auf dem man dabei sitzt. Quatsch: noch nebensächlicher!
Die im deutschsprachigen Raum erschienene DVD kann nur noch antiquarisch erworben werden. Im Stream ist er bei zahlreichen Anbietern leih- oder kaufbar: Amazon, Google Play, Microsoft, iTunes (in der Schweiz nur auf iTunes)



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