Montag, 25. April 2022

Casablanca (1942)

Keine Überraschung: Wie vermutet kommt von den vier im Voraus zur Sichtung auserkorenen Filmen Casablanca die Ehre zu, als bester Film hier an prominenter Stelle vorgestellt zu werden.
Aber...
Es ist mir, ehrlich gesagt, ein Rätsel, wie er zu seinem Status ("einer des besten Filme aller Zeiten") kommt!

Doch zuerst zum Inhalt: Casablanca, ein Fleck neutralen Frankreichs mitten in Marokko, wird zur Zeit des "Dritten Reichs" Sammelbecken für Flüchtlinge vor Hitlers Terror. Speziell "Rick's Café" ist zum Umschlagplatz für Schlepper und Flüchtende geworden. Der zwielichtige Amerikaner Rick, Besitzer des Lokals (Humphrey Bogart) kommt unverhofft in den Besitz zweier von General DeGaulle persönlich unterzeichneten Visas, um die in der Folge - mit dem Besuch eines hohen Nazis (Conrad Veidt) ein Streit entbrennt.
Als der teschechische Widerstandskämpfer Victor Laszlo (Paul Henreid) in Begleitung seiner Gattin Ilsa (Ingrid Bergman) bei "Rick's" eintrifft, reissen Ricks alte Wunden wieder auf: Er war in Paris mit Ilsa liiert, sie hatte ihn auf der Flucht vor den Deutschen aber sitzen lassen.

Casablanca
ist einer der gefeiertsten Filme überhaupt; deshalb schauen wir genau hin:
Casablanca
ist ein überdurchschnittlicher Hollywood-Film, der sein Hauptthema, wie damals üblich, an eine sülzige Liebesgeschichte zu verschenken droht. Zum Glück rettet ihn das hervorragende Drehbuch (von Julius J. und Philip G. Epstein und Howard Koch, nach einem Theaterstück von Murray Burnett und Joan Alison) immer wieder vor dem Absturz.

Jedoch: Die Liebesgeschichte, so gut sie ins Ganze eingebettet ist, funktioniert nicht - und das ist die eigentliche Crux des Films. Humphrey Bogart und Ingrid Bergman sind die beiden schwächsten Schauspieler der gesamten Truppe. Zwischen den beiden funkt nichts. Bogart erstarrt im Understatement seiner üblichen Rolle, die Bergman versucht zwar, Emotionen zu mimen, aber die Mühe, die sie dabei hat, ist deutlich sichtbar.
Man sieht zwei Ikonen des Kinos interagieren und denkt: "Wie toll, zwei Ikonen in einem ikonischen Film". Wer aber seine Ikonengläubigkeit zügelt und kritisch hinguckt, bemerkt, dass die Liebe zwischen den beiden reine Behauptung bleibt, und diese Unglaubwürdigkeit droht den ganzen Film zu kontaminieren. Ich musste mich bemühen, die durchaus vorhandenen Pluspunkte des Films trotzdem zu sehen.

Dazu zähle nicht einmal die vielzitierten "one-liner", die mache für "denkwürdig" halten; ich meine in erster Linie den herausragenden Rest der Besetzung (obwohl Paul Henreid hier unter seinem Wert verkauft wird) das grandiose Drehbuch und die ebenso grandiose Regieführung. Es ist meisterhaft, wie prägnant manche Figuren eingeführt werden, und vor allem ist es für jene Zeit erstaunlich, wie scheinbar mühelos mehrere Handlungen parallel geführt werden. Das war im Mainstream-Kino revolutionär.
Es gibt auch ein paar Holprigkeiten und Logiklöcher, und die Bühnenherkunft des Stoffes tritt bisweilen deutlich zu Tage (es wird sehr viel geredet), aber das erscheint mir als eher nebensächlich.

Zur Wirkung des Films bleibt abschliessend zu bemerken, dass er heute vor allem als Fenster in eine andere Zeit funktioniert. Zu sagen hat er uns Heutigen eigentlich nicht viel. Casablanca ist ein Abenteuer- und Liebesfilm, der seinen Grundstoff aus den Ereignissen der damaligen Zeit schöpfte und so zu einer Art Manifest des Widerstandes gegen Nazideutschland wurde.
Zu sagen, dass im Hollywood jener Zeit keine besseren Filme gedreht wurden als Casablanca ist allerdings ungerecht und schlichtweg falsch.

Ferner liefen
Unter diesem Titel werden jene drei anderen im Voraus zur Sichtung erkorenen Filme kurz angerissen, die gegenüber dem oben beschriebenen weniger gut abschnitten. 

Rush Hour (1998)
Weil das FBI verhindern möchte, dass ihm in einem Entführungsfall ein Ermittler aus Hong Kong in die Quere kommt (Jackie Chan), heuert es den grössten Deppen des LAPD (Chris Tucker) an, der den fremden Ermittler ablenken und mit Lappalien beschäftigen soll. Doch der Depp vom LAPD  hat grosse Ambitionen und vermasselt natürlich zunächst alles...
Eine typische Culture-Clash-Actionkomödie aus der Feder des bewährten Jim Kouf (Stakeout - Die Nacht hat tausend Augen), die geschickt Action mit Slapstick mixt und von der Chemie der beiden gut aufgelegen Hauptdarsteller lebt.
Sehr unterhaltsam, solide inszeniert - aber nichts, was haften bleibt.

Schrei der Grosstadt (Cry of the City, 1948)
Zwei Italoamerikaner, die zusammen aufgewachsen sind (Victor Mature und Richard Conte), einer wurde zum Polizisten (Mature), der andere zum Verbrecher (Conte). Beide treffen im Zusammenhang mit einem Polizistenmord wieder aufeinander.
Die Figurenkonstellation dieses von Robert Siodmak gedrehten Film-Noir weckt hohe Erwartungen - die leider nicht erfüllt werden. Schuld trägt das Drehbuch (Richard Murphy), welches sämtliche Charaktere nur oberflächlich zeichnet und es nicht schafft, ihnen Leben einzuhauchen. Obwohl die gesamte Schauspieler-Truppe ihr Bestes gibt, die Tatsache, dass zu wenig Fleisch am Knochen ist, können sie nicht übertünchen. Einzige Ausnahme: Die wunderbare Hope Emerson als monströse Gangsterbraut; leider ist ihr memorabler Auftritt nur von kurzer Dauer.
Cry of the City erzählt eine spannende Geschichte und glänzt durch hervorragende Regieführung, ist aber weit davon entfernt, der interessanten Prämisse (zwei Freunde auf verschiedenen Seiten des Gesetzes) gerecht zu werden. Das haben spätere Filme auf eindringlichere Art nachgeholt...

Mary Stevens M.D. (1933)
Weshalb habe ich diesen Film ausgewählt? Im Grunde ahnte ich, worauf er hinausläuft. Aber man gibt die Hoffnung ja nie auf...
Die Hoffnung: Der Film bringe ein ernstzunehmendes Drama zur Thematik "Frauen in Männerberufen" auf die Leinwand.
Im Mittelpunkt steht Mary Stevens (der damalige weibliche Superstar Kay Francis), eine Ärztin mit eigener Praxis, welche die Vorurteile der damaligen Zeit zu spüren bekommt. Das Thema wird in der hervorragend inszenierten Anfangssequenz etabliert, in der Dr.Stevens zu einer dramatisch verlaufenden Hausgeburt ins Arme-Leute-Viertel gerufen wird, wo ein fuchsteufelswilder Ehemann sie wieder wegzuschicken droht, weil sie kein Mann ist.
Im Verlauf der Handlung gerät zudem ihr ehemaliger Komilitone, Dr. Andrews (Lyle Talbot) auf die schiefe Bahn und droht seine Karriere zu ruinieren.
Das klingt eigentlich alles ganz gut, und weil ich gespannt war, wie diese Themen vor rund 90 Jahren angegangen wurden, gab ich dem Film eine Chance.
Doch nach 30 ganz interessanten Minuten geschah, was in diesen frühen Tonfilmen fast immer geschieht und was ich von Beginn weg geahnt oder gefürchtet hatte: Eine sülzige Liebesgeschichte drängt sich ins Zentrum und legt alle anderen Themen lahm. Und ruiniert den ganzen Rest des Films.
Ich weiss nicht, was die Leute damals mit Liebesgeschichten hatten - mich interessieren die einfach nicht. In den frühen Jahren des Film gehörten die im US-Kino aber einfach dazu.
Mary Stevens M.D. beruht auf einem schwachen Drehbuch (Rian James & Robert Lord) und ist - mit Ausnahme der hervorragenden Anfangssequenz - steif inszeniert (von Lloyd Bacon) und mittelmässig gespielt.

Coming Attractions:
Für den nächsten Blog-Artikel habe ich wieder vier Filme gewählt, die ich mir ansehe - der beste der vier bekommt eine ausführliche Rezension.
Die vier Filme heissen:
Die Sage von Anatahan (Anatahan, 1953)
Stirb Langsam (Die Hard, 1988)

Die Muppets 2: Muppets Most Wanted (Muppets Most Wanted, 2014)
Den Sternen so nah (The Space Between Us, 2017)
Ihr meint, der Fall sei klar? Wir werden sehen - ich habe in dieser Hinsicht schon viele Überraschungen erlebt...
Und notfalls kriegt mehr als einer eine ausführliche Rezension.

 

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