Nach einer langen Reihe von Film-Abbrüchen bin ich doch wieder einmal an einem Streifen hängen geblieben - bezeichnenderweise wieder an einem, der nur wenig bekannt ist. Es kommen südamerikanische Eingeborene drin vor, ein weisser Grossgrundbesitzer, der auch noch im Zentrum der Handlung steht und allerlei gefälschte Ureinwohner-Folklore. Mit anderen Worten: Ein Graus für jeden Journalisten-Gutmenschen! Und: Ein Nazi, wer solch überkommenen rassistischen Kulturmüll überhaupt zu schauen in Betracht zieht!
Dazu sage ich nur: "Sauft Benzin, Ihr Himmelhunde!"
Man kann einen solchen Film auch schauen, ohne in der Seele korrumpiert zu werden. Wer sich diesbezüglich gefährdet fühlt, kann sich ja einen Memo-Zettel auf den Bildschirm kleben, den er/sie immer dann, durchliest, wenn der Film beginnt, Spass zu machen:
"Dieser Film enthält negative Darstellungen und/oder eine nicht
korrekte Behandlung von Menschen oder Kulturen. Diese Stereotypen waren
damals falsch und sind es noch heute. [...] ist es wichtig, ihre schädlichen Auswirkungen aufzuzeigen
und aus ihnen zu lernen und Unterhaltungen anzuregen, die es
ermöglichen, eine integrativere gemeinsame Zukunft ohne Diskriminierung
zu schaffen." (© The Walt Disney Company)
Alternativ kann in kritischen Momenten auch zur Flagellanten-Geisel gegriffen werden.
Ich fand es jedenfalls erfrischend, einen Hollywood-Film ohne gutmenschentümelnde Haltung, ohne überhebliches Oberlehrertum zu schauen. Sowas gibt es heute kaum noch. The Naked Jungle entstand aus dem Geist seiner Zeit heraus. Dass die Indios nicht im Zentrum des Geschehens stehen, sondern der atmosphärischen Unterfütterung der Haupthandlung dienen, war damals im Abenteuer-Genre Usus. Auch dass Weisse im Zentrum stehen. Damit kann jeder vernünftig denkende Zuschauer umgehen, ohne gleich Schaden zu nehmen. Die anderen sollen sich halt dem betreuten Denken à la Disney-Disclaimer (siehe oben) ergeben. Nach Ansicht dieser Arm..., pardon, Irrlichter ist jeder weisse Zuschauer irgendwie rassistisch und hat Betreuung nötig.
So gesehen, hat die Visionierung dieses Film etwas Befreiendes.
Es war aber etwas anderes, das mich für ihn eingenommen hat: Die Zeichnung der beiden Hauptcharaktere. Da ist auf der einen Seite der rohe, selbstherrliche Plantagenbesitzer (im Mainstream-Jargon: Ausbeuter) Leiningen (Charlton Heston), auf der anderen Joanna, eine Frau aus guter Gesellschaft, an die er sich unbekannterweise und per Fernheirat gebunden hat und die nun auf seinem (ausbeuterischen) Gut im Dschungel eintrifft (Eleanor Parker).
Zwei starke Charaktere prallen hier aufeinander, dass die Funken fliegen, denn Joanna ist nicht gewillt, sich von dem herrischen (ausbeuterischen, frauenfeindlichen, weissen, rassistischen, macho-schweinischen) Ehemann unterbuttern zu lassen. Die verbalen Schlagabtausche zwischen dem linkischen, ungehobelten (thumben) Plantagenboss und der gebildeten Frau aus gutem (bildungschauvinistischem) Hause gehören zu den Höhepunkten von The Naked Jungle - schauspielerisch wie dialogtechnisch.
Charlton Heston ist zwar wie immer steif und ungelenk, hier passt sein Typ allerdings perfekt. Fast fühlt man Mitleid mit diesem ungehobelten Klotz, weil er sich einfach nicht richtig an menschliche Umgangsformen halten kann. In einer ganz anderen Kategorie spielt Eleanor Parker, der man die innere Stärke schon anmerkt, bevor sie ihre erste Dialogzeile spricht. Parker ist eine jener grossen Schauspielerinnen, die stets zu Unrecht im Schatten viel berühmterer (aber nicht notwendigerweise talentierterer, dafür usurpatorischer) Konkurentinnen standen und die heute praktisch vergessen ist.
Als in der zweiten Filmhälfte dann unvermittelt eine Katastrophe in Form einer alles niederfressenden riesigen Ameisen-Armee losbricht, eine Plage biblischen Ausmasses, die mit vereinten Kräften bekämpft werden muss, flacht die Charakterstudie zwar ab, dafür gibt es eine tricktechnisch beeindruckende Action-Strecke (der geniale Trick-Techniker George Pal steckte hinter dieser Produktion). Im Angesicht der Gefahr kommen sich die beiden weissen Hauptprotagonisten schliesslich und endlich näher.
Das erhellende Fazit des Films: "Manchmal braucht es eine Horde Killerameisen, um zwei Menschen zusammenzubringen."
Regie führte Byron Haskin, ein wenig bekannter Name, der Filmfreaks allerdings zumindest bekannt vorkommen sollte. Tatsächlich - von ihm stammt die vielgerühmte Disney-Verfilmung von R.L. Stevensons Schazinsel (1950), der ebenso viel gerühmte Sixties-Science-Fiction-Trip Robinson Crusoe auf dem Mars (1964) und - die Mutter aller Alien-Filme - The War of the Worlds (1953) nach H.G. Wells.
Herrliche Bilder in schönstem Technicolor hübschen The Naked Jungle zusätzlich auf, so dass unterm Strich ein sehenswerter Unterhaltungsfilm herauskommt, den man noch heute gern gefallen lässt - ausser wenn man pausenlos Haltung zeigen muss/will/kann.
For the record:
Bevor ich bei The Naked Jungle hängen geblieben bin habe folgende Filme wegen "nicht gut" abgebrochen:
- Rita will es endlich wissen (Educating Rita, 1983)
Damals ein Kinohit, heute veraltet, verstaubt und lahm. Auch Michael Caine und die mit diesem Film zu Ruhm gekommene Julie Walters können die einfallslose Bühnenverfilmung nicht retten.
- Journey of Love (Safety Not Guaranteed, 2012)
Eine Zeitreisegeschichte, deren Zeitreise so lange durch inhaltsloses Teenie-Geplänkel hinausgeschoben wird, bis der Geduldsfaden reisst...
Der hat mir auch gut gefallen, ebenfalls aufgrund der zwischenmenschlichen Story, auch wenn ich freilich ursprünglich wegen der Ameisenstory eingeschaltet habe. Bei dem tollen Ergebnis war ich aber gar nicht bös drum, dass sie erst spät einsetzte :)
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