Samstag, 18. Juni 2022

Miracle - Das Wunder von Lake Placid (Miracle, 2004)


Regie: Gavin O'Connor
Drehbuch: Eric Guggenheim
Mit Kurt Russell, Patricia Clarkson, Noah Emmerich, Nathan West, Eddie Cahill u.a.

Ein gelungener Sportfilm - thematisch ist Miracle sehr nahe am weiter unten besprochenen Baseball-Film Moneyball (2011) dran: Ein US-Trainer und ehemaliger Eishockeyspieler stellt 1979 eine Mannschaft zusammen, mit der die USA bei den olympischen Winterspielen in Lake Placid gegen die übermächtigen Russen antreten soll.

Im Vergleich zu Moneyball schafft es Miracle scheinbar mühelos, die Zuschauer voll und ganz zu involvieren. Die Charaktere sind dank schön herausgearbeiteter Details lebendig gezeichnet, sie bekommen einen Hintergrund und somit eine Tiefe, die man in Moneyball vergeblich sucht.

Dafür fehlen dort die patriotischen Untertöne, was so manchen deutschsprachigen Kommentator dazu gebracht haben dürfte, jenen Film positiv zu bewerten. Als wäre Patriotismus ein Beurteilungskriterium und dessen Abwesenheit ein Gütezeichen. Doch dazu weiter unten.

Miracle erzählt seine "Phönix-aus-der-Asche"-Story geschickt und spannend; man sieht das Spieler-Auswahlverfahren, die extrem harten Trainings, erlebt mit, wie die Mannschaft langsam zu Familie zusammenwächst und bekommt schliesslich einige Hockeyspiele mit, bevor es dann ins halbstündige Finale gegen die beste Hockeymanschaft der Welt, die bösen Russen, geht. Die Hockyspiele sind unglaublich dynamisch und mitreissend inszeniert.

Daneben nimmt sich der Film immer wieder viel Zeit für seine Figuren, allen voran den von Kurt Russell hervorragend ambivalent gespielten besessenen Trainer Herb Brooks. Er fährt einen harten Kurs, treibt die Jungs an ihre Grenzen, verlangt ihnen alles ab - nicht nur für den Sieg; man spürt, dass ihm das Wohl und die Zukunft jeden Einzelnen von ihnen am Herz liegt.

Regisseur und Drehbuchautor gelingt es zudem, die Geschichte in einen zeitgeschichtlichen Hintergrund einzubetten, der via Nachrichten im Hintergrund immer wieder aufblitzt. Miracle, so wird deutlich, spielt zu einer Zeit, da Amerika im Niedergang war, Hoffnungslosigkeit und Zukunftsangst machte sich breit. So gesehen, ist der Film heute wieder brandaktuell.
Letztlich war dies das Ziel von trainer Herb Brooks' Bemühungen: Dem ganzen Land ein Erfolgerlebnis zu bescheren, ein Auftrieb zu geben, einen Ansporn zu schaffen.
Und da sind wir nun beim Patriotismus.

Patriotismus, das wird uns im deutschsprachigen Raum seit Jahrzehnten eingebläut, ist pfui. "Heimat" wird in jüngster Zeit gar als Nazibegriff gebrandmarkt, auf jeden Fall "etwas für Zurückgebliebene", das V-Wort sagt man schon gar nicht, stolz sein auf ihr Land dürfen weder Deutsche noch Schweizer, lieber macht man es lächerlich. Die Schmähungen reichen von "Deutschland, du Stück Scheisse" bis "La Suisse n'éxiste pas".
Als Jugendliche wurde uns das von links-bewegter Seite richtiggehend eingeimpft, heute sehe ich, wie krank und schädigend diese Haltung ist.

Nun mag man zum Patriotismus stehen, wie man will, als Qualitätskriterium für einen Film taugt es nicht. Es ist eine Haltung, kein handwerkliches Kriterium. Man mag es nachvollziehen oder nicht; mir ist Patriotismus inzwischen näher als der ganze aufoktroyierte nihilistische Selbsthass unserer Breitengrade.

Bleibt zu sagen, dass der Patriotismus hier derart hervorragend in den geschichtlichen Kontext eingebunden ist, dass er als reine Überlebensstrategie erscheint. Diese Erkenntnis steckt im Film drin: Ein Volk (ups, jetzt hab' ich das böse Wort doch geschrieben!), ein Volk ist ohne Liebe zu seinem Land zum Untergang - oder zumindest zu einem langen Siechtum - verdammt.

Fazit: Ein hervorragender, kaum bekannter Sportfilm, der für mich das wenig geliebte Genre "Sportfilm" deutlich aufgewertet hat! Heisse Empfehlung!

Wo schauen: DVD und Blu-ray sind nur noch antiquarisch erhältlich; dafür ist der Film im Stream unter dem deutschen Titel Miracle - Das Wunder von Lake Placid bei verschiedenen Anbietern online anschaubar.

Ferner liefen:
Unter diesem Titel werden hier andere von mir geschaute Filme kurz besprochen, Filme, die in meinem Empfinden gegenüber dem oben beschriebenen weniger gut abschnitten (in absteigender Reihenfolge):

Hundstage (Dog Day Afternoon, 1975)
Sidney Lumets Dog Day Afternoon gehört zu den gefeierten Filmklassikern Hollywoods - er ist ein "must" für jeden Filmliebhaber.
Der Film spielt an einem heissen Augustnachmittag, dem "Hundstag" im deutschen Verleihtitel, irgendwo in Brooklyn. Zwei Bankräuber, Sonny und Sal (Al Pacino und John Cazale) überfallen eine kleine Bank, das ganze sollte nur 10 Minuten dauern. Doch weil Sonny kurz vor ihrem Abzug ein Dokument verbrennt, steht wegen der Rauchentwicklung plötzlich die Polizei vor der Tür. Schon bald wird aus der Polizeikontrolle eine Belagerung und aus dem Raub eine Geiselnahme.
Die beiden Amateur-Bankräuber sind damit völlig überfordert. Eigentlich wollte Sonny, ein überkandidelter Looser mit grossem Herz, mit dem geklauten Geld Gutes tun. Die Polizeichef (Charles Durning) scheint ehrlich bemüht, die Sache glimpflich ablaufen zu lassen, er zeigt sogar ein gewisses Verständnis für die Räuber - doch dann tritt das FBI auf den Plan.
Dog Day Afternoon
basiert auf einer wahren Geschichte und Sidney Lumet tat alles Menschenmögliche, um dem Film einen authentischen Anstrich zu geben.
Der fast dokumentarische Ansatz wirkt noch heute frisch und unverbraucht - damals war das in diesem Ausmass noch relativ neu. Das macht den Film frisch und spannend.
Ich war allerdings nicht so begeistert, wie ich es erwartet hatte. Dies, weil doch ein paar deutliche Schwachstellen auszumachen sind:
- Das Improvisieren der Dialoge macht sich ab und zu negativ bemerkbar, indem diese Szenen manchmal in ineffektive Geschwätzigkeit ausarten und den Film über Gebühr verlängern. Der Fokus droht dadurch immer mal wieder, in Schieflage zu geraten.
- Sämtliche Charaktere bleiben vage, bis auf den von Pacino verkörperten Sonny. Er ist ganz klar das Zentrum des Films, Pacino ist sich dessen bewusst und er nutzt dies zu seinen (Karriere-)Gunsten aus. Man kann mit Fug und Recht behaupten, Dog Day Afternoon sei eine Pacino-Show. Damit unterläuft er m.E. das Konzept des dokumentarischen Ansatzes.
Keine Frage, seine Leistung ist grandios, doch sie hat den Anstrich von Egomanie, er lässt kaum jemandem Platz neben sich, und das hat mir nicht gefallen.

Die Kunst zu gewinnen - Moneyball (Moneyball, 2011)
Ein Film über Baseball - interssanterweise bewerten amerikanische Zuschauer den Film höher als Europäische. Liegt das daran, dass uns das Spiel eher fremd und schwer verständlich erscheint? Oder liegt es umgekehrt daran, dass ein solcher Film für ein US-Publikum einem patriotischer Akt gleichkommt?
Wer weiss...?
Ich war jedenfalls angesichts der hohen Wertung enttäuscht darüber - und erstaunt, doch einige gewichtige Schwachpunkte in dem vielgepriesenen Werk zu entdecken.
- Der erste und augefälligste: Brad Pitt! Kein besonders guter Schauspieler. Jedenfalls kriegt er es nicht fertig, die innere Zerrissenheit seiner Figur hinter seinem Sonnyboy-Grinsen sichtbar zu machen. Man stellt keine Verbindung her zu dem Kerl, der eigentlich das Herzstück des Film wäre. Und damit hatte er mich schon früh verloren.
- Was für mich nicht glaubhaft vermittelt wird, ist die Methode, via Computer eine Top-Mannschaft zusammenzustellen - ein zentrales Motiv des Films!
Die Regie ist sehr gut, die Nebendarsteller ebenso - und trotzdem zündet Moneyball für mich nicht.
"How can you not be romantic about baseball?", fragt Brad Pitt am Ende des Films.
Ehrlich gesagt: Ich habe auch nach diesem Film nicht die geringste Ahnung!

Downton Abbey II: Eine neue Aera (Downton Abbey: A New Era, UK 2022)
Im zweiten Downton-Kinofilm gibt es einige Anzeichen, dass dies der letzte Beitrag zu der Serie gewesen sein könnte. Und man ist nach Visionierung des Films versucht, zu sagen: Es wäre jetzt wirklich Zeit, aufzuhören.
Downton Abbey II wirkt uneinheitlich, lustlos, zusammengestoppelt, an manchen Stellen gar wie schlecht improvisiert. Der Tod von Violet Grantham (Maggie Smith) am Filmende etwa kommt so abrupt und wirkt derart aufgesetzt, dass man das Gefühl kriegt, er sei ursprünglich gar nicht geplant gewesen. Wollte Maggie Smith aus der Serie aussteigen?
Es gibt Handlungsfäden, die im Nichts verlaufen, die Krankheit von Cora Grantham (Elizabeth McGovern) etwa oder das Theater um die Herkunft von Lord Grantham (Hugh Bonneville).
Der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm, der anhand einer in Downton einfallenden Filmcrew thematisiert wird, bringt auch nichts, was man nicht in anderen Filmen nicht schon besser gesehen hätte (u.a. im Musical Singin' in the Rain, von dem hier schamlos abgekupfert wird).
Auch die Schauspieltruppe wirkt uneinheitlicher denn je; neben grossartigen Mimen wie Maggie Smith und Robert James-Collier fallen u.a. Elizabeth McGovern, Jim Carter und Kevin Doyle diesmal noch deutlicher ab als in der TV-Serie.
Was mich bei der Stange hielt, war das Wiedersehen mit den altbekannten und liebgewonnenen Figuren und ein paar schöne Landschaften.
Drehbuchautor Julian Fellowes scheint inzwischen nur noch halbherzig bei der Sache zu sein, seine Vorlage ist, was die Engländer liebevoll "a bloody mess" nennen würden. Entweder man ersetzt ihn, oder man macht jetzt einen Schlusspunkt.
Ohne Maggie Smith ist Downton Abbey sowieso nicht mehr dasselbe.

Make My Heart Fly - Verliebt in Edinburgh (Sunshine on Leith, UK 2013)
Diesen Film hatte ich in der Hoffnung geschaut, einen vergessenen Vorgänger des erfolgreichen Neo-Musicals La La Land (2016) entdecken zu können.
Dem war leider nicht so.
Der von Dexter Fletcher (Eddie the Eagle) inszenierte Film besticht weder durch seine Musik, seine Inszenierung noch durch seine Handlung.
Es ist vielmehr so, dass notdürftig drei Liebesgeschichten um einige Musiknummern herum drapiert wurden; mit notdürftig meine ich: Schmalzig, vorhersehbar - ja, sogar peinlich.
Die Figuren kommen nie zum Leben, sie bleiben papieren, eindimensional, langweilig.
Der Film sieht trotz Hochglanzoptik billig aus, die Choreografien scheinen einer Bühnenproduktion zu entstammen und die Musik... nichts, was man nicht nach einer halben Minute schon wieder vergessen hätte.
Ein schauderhafter Schmarren.


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