Regie: Norman Tokar
Drehbuch: AJ. Carrothers
Mit Fred MacMurray, Leslie Ann Warren, Greer Garson, Tommy Steele, Geraldine Page u.a.
Erneut kann ich mit einer Entdeckung aufwarten: The Happiest Millionaire, ein überlanges komödiantisches Musical um einen exzentrischen US-Millionär und dessen Familie, geriet kurz nach der Erstaufführung in Vergessenheit.
Der Film wurde aus mir unbekannten Gründen ein finanzieller Misserfolg, vielleicht weil er zu lang war (2 Stunden 45 Minuten), vielleicht weil er als der Nachfolger von Mary Poppins, als der er geplant war, übergrosse Erwartungen weckte...
Weshalb auch immer: Ich habe mich dabei so gut amüsiert wie schon lange nicht mehr mit einem Film und kann den Misserfolg nicht wirklich nachvollziehen.
The Happiest Millionaire war der letzte life action film, dessen Produktion Walt Disney noch selbst überwachte, praktisch zeitgleich mit dem Zeichentrick-Hit The Jungle Book (die Premiere beider Filme erlebte der Meister nicht mehr). Disneys Handschrift ist deutlich spürbar, viele kleine Details und inszenatorische Ideen halten das Tempo, die Spannung, das Amüsement trotz der langen Spieldauer konstant aufrecht; es gibt keinen toten Punkt, keine langweilige Strecke, obwohl einige Episoden durchaus überflüssig sind und hätten gekürzt werden können. Ende der Sechzigerjahre waren Filme in Überlänge jedoch gerade in Mode und Disney und seine Leute gaben ihr Bestes - ich kenne kein anderes solches Werk, welches das Interesse derart lange aufrecht erhält wie dieses.
Da gibt es einen Bibelklub, in dem das Boxen trainiert wird, eine deftige Saloon-Prügelei, gefrorene Alligatoren, ein musikalisches Snob-Duell, nie gehörte Songs der fabulösen Gebrüder Richard M. und Robert B. Sherman (Mary Poppins, Das Dschungelbuch), viele schräge und unkonventionelle Einfälle und häufige Heiterkeits-Ausbrüche in Form von begeisternd choreografierten Sing- und Tanznummern.
Schauspielerisch weiss der Streifen mit Fred MacMurray, Leslie Ann Warren (in ihrer ersten Leinwandrolle) und Greer Garson, vor allem aber mit Geraldine Page und Gladys Cooper als alte High Society-Schlachtrösser zu punkten. Tommy Steele hingegen nervt wie üblich seiner dick aufgetragener "irishness" und seinem forcierten Dauergrinsen; immerhin fügt er sich einigermassen gut ins Ganze ein und verschwindet immer mal wieder für längere Zeit von der Bildfläche.
Ach ja, die Handlung.
Die Handlung?
Ist nicht so wichtig. Es geht um die Familie des unkonventionellen Millionärs Anthony Drexel Biddle (Fred MacMurray), dessen Tochter Cordelia (Leslie Ann Warren) sich verliebt und heiraten will. Im Mittelpunkt stehen aber Vater Anthony und seine exzentrischen Hobbies und die Launen und Wunderlichkeiten der High Society. Und der neue Butler (Tommy Steele), der die geplatzte Hochzeit am Ende mit etwas drastischen Methoden rettet.
Der Film folgt den Aufzeichnungen der echten Cordelia Drexel Biddle, welche die Geschichte ihrer verrückten Familie in Romanform veröffentlicht hatte.
The Happiest Millionaire mag von vielen Kritikern als "harmlos" bezeichnet werden - es gibt keinen Bösewicht, alles Negative löst sich stets in Minne auf - doch das Ganze ist derart mitreissend inszeniert und gespielt, dass diese Kritik absurd und an den Haaren herbeigezogen erscheint. The Happiest Millionaire macht Freude - und die lasse man sich von sauertöpfischen und destruktiv eingestellten Kritikern bloss nicht vermiesen. In Raten genossen - der Film lässt sich dank seiner Episodenhaftigkeit gut auf zwei bis drei Abende verteilen - ist The Happiest Millionaire Balsam für die Seele, ein gutes Gegengift gegen die medial konstruierte Mies- und Panikmache unserer Tage.
Dafür schmeisse ich sogar anerkannte Meisterwerke wie Paper Moon über Bord.
Der glücklichste Millionär ist bei uns weder auf Blu-ray noch auf DVD noch im Stream verfügbar.
In der englischen Sprachfassung kann er hier angeschaut werden - in voller Länge, Werbefrei und kostenlos.
Ferner liefen:
Unter
diesem Titel werden hier andere von mir geschaute Filme kurz
besprochen, Filme, die in meinem Empfinden gegenüber dem oben
beschriebenen
weniger gut abschnitten:
Ich will kein grosses Gewese um diesen ikonischen Film machen - die Idee, mich als der grosse Cinèast gebärden zu müssen, wie es das das Gros der bloggenden Filmfans tut, habe ich an den Nagel gehängt.
Paper Moon ist zweifellos ein herausragendes Werk; wie er mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln (damals noch ohne CGI!) das depressionsgeschüttelte Amerika der Dreissigerjahre auferstehen lässt, ist grandios. Die Frage ist: Was sollen wir hier in Europa damit anfangen? Viel Relevanz ist da nicht für uns. Und sonst ist Bogdanovichs wohl berühmtester Film leider zu wenig interessant. Um nicht zu sagen: Er zieht sich.
Der Anfang ist eine Bombe. Die halbe Stunde, welche die beiden Hauptdarsteller - Ryan und Tatum O'Neal (Vater und Tocher im wirklichen Leben) - ganz für sich haben, ist göttlich! So gut spielen sie, so wunderbar sind ihre Charaktere und ihre Beziehung angelegt!
Leider kommen dann weitere Charaktere und mit ihnen Nebenhandlungen dazu, welche die Interaktion der beiden Hauptdarsteller unterbrechen und damit vom Wesentlichen ablenken. Beides, die neuen Charaktere und die Nebenhandlungen, sind zu schwach und bleiben Episodenhaft. Und das wird mit der Zeit ärgerlich: Die Nebenfiguren sind unsympathisch, drängen sich zu stark zwischen die beiden Hauptakteure, lösen deren wunderbare Chemie auf und ersetzen sie durch Gewöhnlichkeit. Schade!
Wieder ein Klassiker, der bei mir nicht wirklich zündet...
Auf der Jagd (U.S. Marshals, 1998)
Eine Art Fortsetzung des Harrison-Ford-Klassikers Auf der Flucht von 1993. Tommy Lee Jones tritt hier wieder als U.S. Marshal Sam Gerard auf, auch dessen Team wird von wieder denselben Schauspielern wie im ersten Film verkörpert.
Allerdings sieht dieser von Start Baird inszenierte Film eher wie ein Remake von Auf der Flucht denn wie eine Fortsetzung aus, ganze Handlungsversatzstücke wie der verunglückte Gefangenentransport und der flüchtende Unschuldige wurden übernommen und auf wesentlich tieferem Niveau abgehandelt.
Das Ganze ist zwar gut inszeniert und engagiert gespielt, wird aber dank der sich wiederholenden Handlungsversatzstücke extrem unglaubwürdig (wie gross ist die Chance, dass ein US-Marshall in seinem Leben gleich zwei derart spektakulär verunglückende Gefangenentransporte miterlebt und zwei ähnlich Unschuldige jagen muss?).
Unterhaltsam, aber unnötig.The Lost City - Das Geheimnis der verlorenen Stadt (The Lost City, 2022)
Sandra Bullock, Channing Tatum und Daniel Radcliffe auf Schatzsuche und beim Hasch-Mich-Spielen im Urwald. Soll lustig sein...
Müssen US-Komödien heute eigentlich ausschliesslich plump, albern und niveaulos daherkommen? Müssen die Witzchen x-mal wiederholt oder gar erklärt werden? Für wie beschränkt hält man das Publikum? ("Zu Recht?" frage ich mich manchmal angesichts des Erfolgs dieser Streifen.)
The Lost City beginnt zwar vielversprechend, doch dann wird es schnell schal; die Dämlichkeit der von Channing Tatum gespielten Figur wird einem derart penetrant unter die Nase gerieben, dass man bald lieber heulen möchte. Sandra Bullock im Glittersuit im Dschungel ist 30 Sekunden lustig, danach nicht mehr. Und viel mehr ist da nicht an Humor...
Schauspielerisch nicht gerade grandios, Drehbuch schwach, Regie gesichtslos... Dafür muss man icht ins Kino pilgern...
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