Dienstag, 10. Mai 2022

Die Welt gehört der Frau (Woman's World, 1954)


Es kommt überraschend oft vor, dass ein völlig vergessener Film hier prominent besprochen wird, weil er mehr Eindruck machte als einer der bekannten.
Ich versuche, die Filmgeschichte mit unbestechlichem Blick zu betrachten - unvoreingenommen und unbeeinflusst von den offiziellen Bestenlisten (die sich eh' gleichen wie ein Ei dem anderen) und den Übereinkünften der Kritiker.
Mein Fokus unterscheidet sich dabei deutlich von jenem der herkömmlichen Filmkritik: Nicht die Absicht, die Gesinnung eines Films zählt, sondern das Handwerk. Am besten ist es, wenn das Drehbuch, die Regie, das Schauspiel, das Setting zu einem überzeugenden Ganzen verschmelzen.
So kann es passieren, dass ein unbescholtener Filmgigant wie Casablanca durchfällt, weil die Liebesgeschichte zwischen Bogart und Bergman nicht glaubwürdig ist und die beiden schauspielerisch gegenüber den Nebendarstellern deutlich abfallen. Auf ein anderes Beispiel wird weiter unten noch eingegangen ( Otto Premingers Laura von 1944).

Nun kommt hier ein Film zu Ehren, den wohl die wenigsten hierzulande kennen, obwohl er 1954 in den USA zu den 25 erfolgreichsten Kinofilmen gehörte und damals auch in den deutschsprachigen Kinos lief, ein Film, der in allen Aspekten des Filmemachens Glanzleistungen zu bieten hat und der obendrein mit interessanten Charakterstudien bestens zu unterhalten weiss: Woman's World.
Im Zentrum stehen drei Paare, die von Automobilhersteller Ernest Gifford (Clifton Webb) nach New York eingeladen werden. Es handelt sich um die drei möglichen Nachfolger seines verstorbenen Geschäftsführers und deren Gattinnen. Gifford möchte nicht nur die Männer genaustens unter die Lupe nehmen.
Das ausgefeilte Drehbuch nutzt die Gelegenheit, jedes der drei Paare und deren jeweilige Beziehung genau zu untersuchen und sie zu den anderen in Relation zu setzen. Fred MacMurray und Lauren Bacall treten als das in Trennung befindliche Ehepaar Burns auf, das sich für den Anlass den Anschein gibt, es sei alles in Ordnung; Cornel Wilde und June Allison sind Mr. und Mrs. Baxter aus Pennsylvania, welche sich in der High Society wie Fremdkörper vorkommen; Van Heflin und Arlene Dahl treten auf als Mr. und Mrs. Talbot - letztere ist von Ehrgeiz zerfressen und möchte via ihren Mann unbedingt in die feine Gesellschaft aufsteigen.

Während die Burns' und Baxters je als das umgekehrte Spiegelbild des jeweils anderen Paares konzipiert sind, sind bei den Burns' und Talbots die Rollen innerhalb der Partnerschaft vertauscht. Das ist eine Spielerei, die dem Film eine zusätzliche Tiefe verleiht, denn das Schicksal von Mr und Mrs. Burns' erscheint dadurch wie eine Warnung an die anderen und ein kritischer Kommentar auf den "amerikanischen Weg zum Erfolg".

Der Film bietet nicht nur drei interessante Charakterstudien (und hervorragende schauspierische Leistungen), er funktioniert auch als Portrait der Stadt New York - es gibt Sequenzen, die den Schluss nahelegen, Woody Allen hätte sich hier zur berühmten Anfangssequenz von Manhattan inspirieren lassen.
Woman's World badet dabei geradezu im Design der 50er-Jahre und bietet dadurch auch etwas fürs Auge: Die Kleider, die Räume, die Autos - all das wird ästhetisch richtiggehend zelebriert. Die Art Direction (Lyle R. Wheeler) und die Köstumbildner (angeführt von Charles Le Maire) haben hier wunderbare Arbeit geleistet. Wer die Fifties mag, kommt um diesen Film nicht herum!

Der ganze Glamour, den Woman's World atmet, wird ständig von den Ehefrauen unterlaufen: Die eine pfeift darauf, die andere droht daran zu ersticken, während die dritte dafür intrigiert und betrügt. Die Welt des Glamour wird als das entlarvt, was sie ist: Eine unmenschliche Scheinwelt, das dem Individuum Entscheidungen abverlangt, die in den Abgrund führen können.

Woman's World ist im deutschsprachigen Raum leider nie auf DVD oder Blu-ray erschienen.
Hier kann er - in HD-Qualität und in der englischsprachigen Originalfassung - in voller Länge online angeschaut werden.

Ferner liefen:
Unter diesem Titel werden die anderen von mir geschauten Filme kurz angerissen, die nach meinem Empfinden gegenüber dem oben beschriebenen weniger gut abschnitten. 
 

Laura (1944)
Dies ist nun einer jener oben erwähnten hochgelobten Hollywood-Klassiker, die mich eher ernüchtert zurückgelassen haben...
Die erste Hälfte ist packend und gut aufgebaut: Laura Hunt (Gene Tierney), eine junge Frau aus der gehobenen Gesellschaft ist brutal ermordet worden. Wer war's? Wir erfahren Lauras Aufstieg in die High Society in Rückblenden. Es treten auf: Lauras Mentor, der süffisante Autor und Kolumnist Waldo Lydecker (Clifton Webb, erneut), ihr täppischer Verlobter Shelby (Vincent Price) und der hartgesottenene Detektiv Mark McPherson (Dana Andrews), welcher den Fall untersucht. Der Rückblick wird höchst prägnant und spitzzüngig erzählt von Lauras Mentor Lydecker.
In der zweiten Hälfte fällt Lydeckers Off-Kommentar weg, was dem Film unvermittelt eine ganz andere Note gibt. Ab da flacht er immer mehr ab. Man fragt sich je länger je mehr, was die Männer derart fasziniert hat an dieser Laura - sie ist zwar makellos schön (Gene Tierney galt als eine der schönsten Schauspielerinnen jener Zeit), aber abgesehen davon besitzt sie praktisch keine Eigenschaften; sie ist fad und langweilig.
Die etwas unvermittelt einsetzende Liebesgeschichte erscheint aufgesetzt, zwischen den beiden holzblockartigen Liebenden ist keinerlei Chemie spürbar, es funkt rein gar nichts.
Zudem realisiert man gegen Ende, dass es sich bei Laura um einen zwar gut gemachten, aber im Grunde belanglosen Whodunit-Krimi mit einigen Logik-Löchern handelt. Und damit kommt Otto Premingers von der Kritik gepriesener Film am Schluss etwas flach heraus.
Auf der anderen Seite ist er durchs Band unterhaltsam, es gibt ein paar schöne Überraschungen und die beiden von Clifton Webb und Vincent Price hervorragend gespielten, von der Vorlage prägnant gezeichneten Charaktere überzeugen.

Vergessene Welt: Jurassic Park (The Lost World: Jurassic Park, 1997)
Nachdem ich dem ersten Jurassic Park durchaus etwas abgewinnen konnte (siehe hier), war ich von der - ebenfalls von Spielberg inszenierten - Fortsetzung ziemlich enttäuscht. Von der Handlung über das Drehbuch und die Charakterzeichnung bis zur Regie: Alles ist hier deutlich schwächer - ausser der CGI-Effekte, die in einigen wirklich fantastische Sequenzen resultieren.
Spielbergs Inszenierung wirkt so, als hätte er keine grosse Lust mehr gehabt, in diesem Sequel Regie zu führen; sie ist seltsam gesichtslos. Von seiner durchdachten, ideenreichen Inszenierung, die man aus dessen Vorgängerfilmen kannte, finden sich hier nur noch Spuren. King Kong und Hatari lassen grüssen, die Originalität hat sich aus der vorhersehbaren, zusammengeklauten, in nervigem Gut-Böse-Raster gehaltenen Geschichte verabschiedet und die Charaktere wirken weniger lebendig als die Dinos aus dem Computer.

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