Montag, 14. Dezember 2020

Seh-Empfehlung 17: Dido Elizabeth Belle (Belle, 2013)


Originaltitel: Belle
Deutscher Titel: Dido Elisabeth Belle
Mit Gugu Mbatha-Raw, Tom Wilkinson, Sam Reid, Emily Watson, Sarah Gadon, Penelope Wilton, Miranda Richardson, Matthew Goode, u.a.
Regie: Amma Asante
Drehbuch: Misan Sagay
Grossbritannien 2013
Dauer: 100 min

Das Plakat zu diesem Film ist simpel und trotzdem äusserst wirkungsvoll. Es zeigt eine junge Frau in einem teuren, mit Stickereinen reich verzierten pfirsichfarbenen Kleid, die mitten in einem eleganten Salon steht. Eine Jane Austen-Verfilmung, denkt man auf den ersten Blick. Doch dann bemerkt das Auge, dass die junge Frau dunkelhäutig ist. Das Interesse ist geweckt.

Das Plakat ist in seiner Simplizität hervorragend, denn es fasst den Film zusammen: Im Stil der Jane-Austen-Verfilmungen gehalten, vermittelt er ein Bild jener Epoche und der Sitten und Gebräuche der damaligen feinen Gesellschaft - und im Zentrum steht eine dunkelhäutige Frau, die in dieser Gesellschaft eigentlich nichts verloren hatte.

Die Geschichte, die hier erzählt wird, orientiert sich an historischen Persönlichkeiten und wurde durch ein Gemälde inspiriert (siehe unten).
Dido Elisabeth Belle (Gugu Mbatha-Raw), die Tochter eines englischen Admirals und einer dunkelhäutigen Sklavin,
von ihrem Vater rechtmässig anerkannt, wächst nach dessen Tod im Haus des Englischen obersten Richters Lord Mansfield (Tom Wilkinson) auf. Nach anfänglichen Widerständen gegen die "Mulattin" schliesst die Familie Belle allmählich ins Herz und sie wächst in der feinen Gesellschaftsschicht auf. Darüber rümpft natürlich der Rest des Adels die Nase - Dunkelhäutige waren in den noblen Häusern bestenfalls als Bedienstete geduldet, zudem war der Sklavenhandel damals noch in vollem Gange.
Belles Geschichte wird im Film mit einem in England berühmten Gerichtsfall verwoben, der dort das Ende der Sklaverei einläutete. Lord Mansfield muss dabei entscheiden, ob ertrunkene (oder ersäufte?) Sklaven als "verlorenes Frachtgut" zu einem Versicherungsfall werden können oder nicht. Als Belle von dem Fall erfährt, vertieft sie sich immer mehr darin. Ihre Bekanntschaft mit einem jungen Anwalt (Sam Reid), der sich auch für den Fall interessiert, gewinnt durch das gemeinsame Interesse an Intensität...

Amma Asantes Film ist ganz und gar auf Schönheit angelegt - in Wort und Bild. Die Regisseurin legte Wert darauf, die besten Ausstatter des Gewerbes für ihr Werk zu gewinnen, was ihr zweifellos gelang: Ausstattung, Kostüme, Bauten und Kamera sind vom Feinsten, Belle ist eine einzige Augenweide! Damit knüpft Asante bewusst an das Austen-Feeling der bekannten einschlägigen Verfilmungen an, was die thematische Diskrepanz zu jenen Werken noch stärker hervorgeben sollte. Belle bildet den "schönen Schein" ab, der zu dieser Zeit und dieser Gesellschaftsschicht gehörte. Die Abgründigkeit fehlt den Bildern, aber nicht dem Text - auch das hervorragende Drehbuch kopiert gekonnt den Ton bekannter Jane Austen-Verfilmungen, und die Inszenierung folgt diesem Ansatz.
Das Drehbuch entlarvt anhand des Widerspruchs-in-sich, einer farbigen Adligen, die Absurdität der Konventionen jener Zeit - noch deutlicher als die bekannten Jane-Austen-Verfilmungen und es zeigt auf, dass auch Weisse ausgegrenzt wurden, wenn sie nicht zur richtigen Schicht gehörten oder wenn sie als Adlige die Konvention gebrochen hatten. Damit wird die Kernaussage des Films unterstrichen: Alle Menschen sind gleich. Belle beschränkt sich nicht nur auf das Thema Rassismus, sondern beweist einen weiteren Horizont, indem der Film Rassismus als eine mögliche Variante von Ausgrenzung zeigt, einer von mehreren, deren Ursprünge er in der Mischung von Engherzigkeit, Konventionszwang und Selbstgerechtigeit verortet.
Belles Geschichte wird auf packende Weise mit der Abschaffung der Sklaverei in England verknüpft.
Ein zusätzliches Plus sind die durchs Band hervorragenden schauspielerischen Leistungen - allen voran Tom Wilkinsons und Gugu Mbatha-Raws, aber auch die zahlreichen Nebendarsteller glänzen und machen Belle zu einem rundum erfreulichen Filmerlebnis.

Belle nimmt, wie natürlich auch die oben erwähnten Jane-Austen-Geschichten, Bezug auf und schöpft seinen Inhalt aus der sog. Regency-Zeit Grossbritanniens. Er entspringt der spezifisch Britischen Kultur, was für ein Britisches Publikum durchaus starke Relevanz hat, kulturell und entwicklungsgeschichtlich. Für uns Kontinentaleuropäer fehlt diese. Wir schauen einem berückend schönen Kostümdrama zu, dessen gesellschaftliche Komponente für uns allerdings leer bleibt. Immerhin gelangt mit dem erwähnten Gerichtsfall eine gesellschaftspolitische Komponente in den Film, die im weitesten Sinn universell ist und Asantes Film davor bewahrt, einfach ein weiteres schmuckes Kostümdrama zu sein.

Das Originalportrait von Dido Elizabeth Belle und ihrer Cousine Lady Elizabeth Murray, das die Inspiration zum Film lieferte.


Anschauen:
Der Film ist im deutschsprachigen Raum auf Blu-ray und DVD erhältlich. Als Download ist er u.a. bei Amazon, Maxdome, iTunes, youtube und Google Play erhältlich.

Meine Wertung: 8 / 10

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